Seite - 217 - in Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung
Bild der Seite - 217 -
Text der Seite - 217 -
217Soziale
Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten …
7. Soziale Netzwerke sollten hinreichend gründlich erfasst werden. Den hier
besprochenen Studien ist gemein, dass entweder nur grobe Schätzer (beispiels-
weise zur Anzahl der Freunde, Kontaktintensitäten) oder nur bereichsspezi-
fische Schätzer (beispielsweise nur egozentrierte Netzwerke) erhoben wurden.
Die Frage, inwieweit sich mit den Übergängen des Erwachsenenalters auch
Veränderungen im weiteren Netzwerk, etwa in den Beziehungen der Alteri
untereinander, ergeben, konnte in keiner der referierten Studien beantwortet
werden. Die Beziehungen im weiteren Netzwerk sollten jedoch als Teil des
sozialen Kapitals einer Person betrachtet werden; auch unterbrochene Dyaden
in Alteri-Beziehungen können transitionsbedingt gesundheitliche oder öko-
nomische Konsequenzen haben6. Hier gilt es, vorhandene theoretische Ansätze
auf das gesamte Netzwerk auszuweiten.
Den Autoren ist bisher keine Studie bekannt, die all diese Anforderungen erfüllen
könnte. Neben diesen allgemeinen Kritikpunkten gibt es zu den einzelnen Transi-
tionen weitere offene Forschungsfragen, von denen einige angesprochen werden
sollen.
Die Empty-Nest-Transition ist in ihrer Wirkung auf das Netzwerk bisher für
Industriegesellschaften wenig differenziert dargestellt. Da beispielsweise in
Deutschland gebildetere Mütter ihre Kinder in höherem Alter als bildungsfernere
bekommen und dann aufgrund längerer Schulzeiten länger in der Familie halten,
müssten sie älter sein, womit für sie seltener eine Phase der „zweiten Jugend“
und der zugehörigen Netzwerkvergrößerung in Betracht kämen. Hier wird eine
besondere Interaktion zwischen biologischem Alter, Bildungsstand und Transition
deutlich, denn Individuen, die beispielsweise erst mit 40 Jahren Eltern werden,
dürften die Empty-Nest-Situation erst um das sechzigste oder fünfundsechzigste
Lebensjahr erleben (inkl. dem entsprechenden Risiko für späte Scheidungen).
In diesem Lebensalter sind dann jedoch auch wiederum Lebensalter- spezifische
Verkleinerungen des Netzwerkes eher erwartbar (siehe Kap. „Soziale Netz-
werke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter“). Auf der anderen Seite
dürften finanzielle Ressourcen im Zuge des sozialen Wandels (Zunahme der
Einkommensschere) für ärmere Nestflüchter geringer werden, womit hier
6Fällt beispielsweise der Auszug der Kinder mit der Trennung der Eltern zusammen,
wird die Nutzung elterlicher „Beziehungen“ zu entfernten Netzwerkpersonen durch die
ausziehenden Kinder, etwa für Ausbildung oder Wohnung, wohlmöglich weniger wahr-
scheinlich. Es ließe sich auch sagen, dass die Trennung der Eltern die Verfügbarkeit ihres
„second-hand social capital“ (Shah et al. 2018) für die Kinder verringert.
zurück zum
Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369