Seite - 237 - in Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung
Bild der Seite - 237 -
Text der Seite - 237 -
237Soziale
Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten …
Beziehungen, Haushaltsgröße) gemessen. Dieser Unterschied in der Sterbewahr-
scheinlichkeit, welcher in etwa mit dem Gesundheitsrisiko des Rauchens und
der Adipositas dritten Grades vergleichbar ist, zeigte sich konsistent über Alters-
gruppen, Geschlecht, ursprünglichen Gesundheitszustand, Todesursache und
Beobachtungszeitraum der Studien hinweg. Interessante Differenzen stellten sich
dabei bezüglich der verwendeten Netzwerkmaße heraus: Der Zusammenhang
zwischen Einbettung und Sterblichkeit war am größten, wurden funktionale und
strukturelle Maße von Netzwerken kombiniert.
4.2 Kognitive Verläufe und Demenzrisiko
Einige Metaanalysen haben bereits die beeindruckende Vielzahl an Studien zu
sozialer Integration und kognitiver Funktion zusammenfassend aufgearbeitet.
In einer Metaanalyse von Kuiper et al. (2015) zeigten drei von 43 Studien einen
signifikanten Zusammenhang zwischen kognitiver Funktionsabnahme und Netz-
werkgröße. Ältere Menschen mit kleineren Netzwerken verzeichneten eine stärkere
Abnahme im Beobachtungszeitraum als ältere Menschen mit größeren Netzwerken
(Chi und Chou 2000; Holtzman et al. 2004; Hughes et al. 2008). Diese Assoziation
war stärker als für funktionale Aspekte wie geringe soziale Aktivität.
In einer weiteren Übersicht zu 19 Längsschnittstudien fanden Kuiper und Kol-
legen (2015) einen positiven Zusammenhang zwischen Demenzrisiko und gerin-
ger sozialer Teilhabe, geringer Kontakthäufigkeit und hoher Einsamkeit. Die
Autoren verglichen die Effektstärken mit denen einer geringen Bildung, geringer
körperlicher Aktivität und der Altersdepression. Ergebnisse zu Netzwerkgröße
und Zufriedenheit mit dem Netzwerk blieben hingegen inkonsistent, sodass
hierfür kein signifikanter Zusammenhang gefunden wurde: Nur zwei der acht
Studien, die Netzwerkgröße berücksichtigten, zeigten eine erhöhte Demenzwahr-
scheinlichkeit von älteren Menschen mit kleinen Netzwerken (James et al. 2011;
Saczynski et al. 2006).
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Fratiglioni und Kollegen (2004) in ihrer
Metaanalyse von 13 Studien. Drei von sechs Studien, die soziale Netzwerke ana-
lysierten, fanden ein vermindertes Demenzrisiko für stark sozial integrierte Personen
(Fratiglioni et al. 2000; Scarmeas et al. 2001; Wang et al. 2002). Fünf von sieben
Studien fanden eine geringere Abnahme kognitiver Funktionsfähigkeiten. Darü-
ber hinaus ist auch der umgekehrte Kausalzusammenhang belegt: Nehmen kogni-
tive Fähigkeiten mit dem Alter stark ab, verkleinert sich infolgedessen oft auch das
soziale Netzwerk der Betroffenen (Aartsen et al. 2004), da sich ihr sozialer und phy-
sischer Aktionsradius verringert. Die zunehmenden kognitiven Beeinträchtigungen
können so einen Rückzug in familiäre Beziehungsnetzwerke begünstigen.
zurück zum
Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369