Seite - 242 - in Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung
Bild der Seite - 242 -
Text der Seite - 242 -
242 B. Müller und L. Ellwardt
6 Zusammenfassung und kritische Reflexion
Der Beitrag konnte zeigen, dass auch im höheren Lebensalter Zusammen-
hänge zwischen sozioökonomischem Status und Sterblichkeits-, Demenz- und
Depressionsrisiko bestehen. Die dargestellten Befunde geben jedoch keine ein-
deutige Antwort auf die Frage nach dem Verlauf gesundheitlicher Ungleichheit im
Lebenslauf. Die referierten Studien bestätigen sowohl die Kontinuitäts- als auch
die Divergenzthese. So deuten einerseits die Studien zum Sterblichkeitsrisiko dar-
auf hin, dass sich im Lebensverlauf statusbedingte Unterschiede im Sterberisiko
fortsetzen (Kontinuitätsthese). Das höhere Risiko von Personen mit geringerem
sozioökonomischen Status, im Alter an Demenz und Depression zu erkranken,
kann andererseits die gesundheitliche Ungleichheit vergrößern (Divergenz-
these). Die Uneindeutigkeit der Befunde, bezogen auf den Verlauf gesundheit-
licher Ungleichheit, wurde in der Forschungsliteratur häufig konstatiert. Dies
ist auch den unterschiedlichen Operationalisierungen der sozioökonomischen
Indikatoren (Bildung, Berufsstatus, Einkommen) und den verschiedenen Gesund-
heitsdimensionen geschuldet. Fraglich ist darüber hinaus, ob die herkömmlichen
Indikatoren überhaupt geeignet sind, Unterschiede in den akkumulierten sozio-
ökonomischen Bedingungen im Alter hinreichend zu erfassen (Ausbildung und
Beruf liegen lange zurück, sind für Männer und Frauen nur bedingt vergleichbar,
Eigentumsverhältnisse geben mehr Aufschluss über Anhäufung von Ressour-
cen) (Clemens 2008; von dem Knesebeck und Schäfer 2009; Kohli et al. 2000;
Leopold und Engelhardt 2011). Für Eltern im hohen Alter ist z. B. denkbar, dass
die gesundheitliche Ungleichheit auch auf ungleiche, sozioökonomisch bedingte
Ressourcen ihrer erwachsenen Kinder (wie z. B. Ausmaß der Unterstützung bei
Pflegeleistungen; Wissen über Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten) beein-
flusst wird (Rueda und Artazcoz 2009; Saraceno 2010). Wie zudem am Beispiel
der Depression gezeigt werden konnte, kann darüber hinaus auch der erlebte
elterliche sozioökonomische Status in der Kindheit für die Gesundheit im Alter
eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen (Brandt et al. 2012; Pakpahan et al.
2017). Für weitere Forschungen kann es lohnend sein, neben der sozioöko-
nomischen Position der Person im Alter auch die ihrer Eltern und erwachsenen
Kinder stärker in den Blick zu nehmen.
Studienbefunde zu den Wechselwirkungen zwischen strukturellen Netz-
werkmerkmalen und Sterblichkeits-, Demenz- und Depressionsrisiko stützen
die Aktivitätstheorie: Die Pflege von sozialen Interaktionen auch im Ruhestand
erweist sich als wichtiger Schutzfaktor für die Gesundheit. Es scheint, dass
es dabei weniger auf die Netzwerkgröße als vielmehr auf das Ausmaß sozia-
ler Einbettung ankommt. Diese kann, entsprechend der sozioemotionalen
zurück zum
Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369