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374 A. Kupfer und M. Gamper
Migrant_innen in ihren Herkunftsländern höheren Prävalenzraten ausgesetzt
sind. Knipper und Bilgin (2009) weisen ferner darauf hin, dass die teilweise in
Sammelunterkünften für Flüchtlinge herrschenden prekären Lebensumstände,
eine schlechte Ernährung und ein unzureichender Zugang zu Gesundheitsver-
sorgung zu den typischen Risikofakten für Tuberkulose zählen.
In Bezug auf chronische Erkrankungen ist bisher eine stärkere Belastung der
einheimischen Bevölkerung festzustellen. Allerdings deuten verschiedene Studien
darauf hin, dass eine lange Aufenthaltsdauer im Zielland durch die allmähliche
Übernahme eines „westlichen Lebensstils“ negative Effekte auf die Gesund-
heit von Migrant_innen hat, indem z. B. Adipositas, Herzerkrankungen und
Erkrankungen der Atmungsorgane zunehmen (Krämer und Baune 2004; Stenzel
2016, s. u.). In anderen Bereichen, z. B. bezüglich Asthma (seltener), Neuro-
dermitis und Heuschnupfen, Sterblichkeit an koronarer Herzkrankheit (geringer),
sind Migrant_innen genauso oder weniger gefährdet (Schenk 2007). Einige gene-
tisch bedingte Erkrankungen, wie etwa Sichelzellanämie, das familiäre Mittel-
meerfieber und seltene Stoffwechselerkrankungen treten – entsprechend ihrer
Verbreitung in den Herkunftsländern – auch bei einigen Migrant_innengruppen
in Deutschland häufiger auf (Knipper und Bilgin 2009). Weiterhin bekannt ist
die höhere, aber kontinuierlich sinkende Müttersterblichkeit4 unter ausländischen
Frauen (bis Mitte der 1990er Jahre rund 1,5-mal so hoch wie unter deutschen
Frauen, Razum et al. 2011).
1.2 Ausgewählte Erklärungsansätze zum
Zusammenhang von Migration und Gesundheit
und gesundheitlicher Ungleichheit
Während im ersten Schritt der Gesundheitszustand von Migrant_innen empi-
risch diskutiert wurde, möchten wir im zweiten Schritt Erklärungsansätze vor-
stellen. Hierbei greifen wir auf Konzepte zurück, die zur Deutung bestehender
Unterschiede im Gesundheitsverhalten, der körperlichen wie auch psychischen
Gesundheit herangezogen werden.
4Müttersterblichkeit gilt als empfindlicher Indikator für gesundheitliche Ungleichheiten
hinsichtlich des Zugangs zu und Nutzung von Gesundheitsdiensten (Razum et al. 2011).
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369