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378 A. Kupfer und M. Gamper
1.2.6 Inanspruchnahme Gesundheitsdienste –
Zugangsbarrieren
Auch die Art und Weise der medizinischen Versorgung sowie der Zugang zu
Gesundheitsdiensten haben schließlich entscheidenden Einfluss auf Gesundheit
und Krankheit. Eine unzureichende medizinische Versorgung im Aufnahme-
land kann etwa körperliche und seelische Gesundheitsstörungen zur Folge
haben (Krämer und Baune 2004). Dabei ist die Befundlage für Deutschland
eindeutig. Migrant_innen suchen die psychosozialen und medizinischen ambu-
lanten Angebote weniger auf, sind aber stärker in den Notfallambulanzen anzu-
treffen (Kirkcaldy et al. 2006; Knipper und Bilgin 2009; Kutalek 2009). Die Liste
der Zugangsbarrieren ist lang: gesetzliche Limitationen wie durch das deutsche
Asylbewerberleistungsgesetz oder aufgrund eines illegalisierten Aufenthalts,
die oftmals ethnozentristische6 Ausrichtung der Angebote und fehlende (inter-
kulturelle) Kommunikationskompetenz des medizinischen Personals, Sprach-
barrieren, Informationsdefizite über den Aufbau und die Funktionsweise der
Gesundheitsorganisation oder präventivmedizinische Maßnahmen (Impfungen,
Vorsorgeuntersuchungen), unterschiedliche Erwartungen von Migrant_innen und
‚Einheimischen‘ im Hinblick auf die gesundheitliche Versorgung etc. (Knipper
und Bilgin 2009; Kutalek 2009; Schenk 2007; Sting 2010). Vor allem der Zugang
zu Beratungs- und Therapieangeboten im Bereich psychischer Gesundheit
erscheint hinsichtlich eines höheren Stigmatisierungsrisikos bei einigen Migrant_
innengruppen, aber auch der nur selten kultursensiblen Versorgung sowie multi-
kulturellen Vermittlung und Übersetzung hochschwellig (Kutalek 2009).
Neben den hier ausgewählten und eben vorgestellten Erklärungsansätzen
zum Zusammenhang von Migration, Gesundheit und gesundheitlichen Unter-
schieden: der Migrationsstresshypothese, der Theorie der Unterprivilegierung,
dem Ansatz des gesundheitlichen Übergangs, dem Lebenslaufansatz und den
Zugangsbarrieren zum Gesundheitssystem können auch soziale Netzwerke, in die
Migrant_innen eingebettet sind, relevanten Einfluss auf Gesundheit und Gesund-
heitsverhalten nehmen. Dafür soll zunächst phasenweise die Rolle sozialer Netz-
werke im Migrationsprozess diskutiert werden, bevor in Abschn. 3 die wenigen
international vorhandenen Studien zum Zusammenhang sozialer Netzwerke mit
der Gesundheit von Migrant_innen rezipiert werden.
6Gefühl der Überlegenheit des Herkunftslandes (der eigenen Gruppe) gegenüber anderen
Ländern (anderen Gruppen), das sich in überhöhtem Selbstbild sowie negativen Fremd-
bildern manifestiert und in Einstellungen wie Verhaltensweisen zeigt.
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369