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380 A. Kupfer und M. Gamper
Migrant_innen, die vor ihnen gewandert sind, mobilisieren können, um z. B.
Arbeit oder Wohnungen zu finden und Hilfe beim Einholen oder Ausfüllen offi-
zieller Dokumente zu erhalten (Fussel und Massey 2004).
Studien konnten belegen, dass, unabhängig von früherer Migrationserfahrung
der befragten Personen, die Wahrscheinlichkeit zur Migration steigt, wenn
diese Kontakt mit Akteuren im Ankunftsland (z. B. gute Freund_innen, Fami-
lie) besitzen (Massey et al.1993; Palloni et al. 2001). Mit Hilfe von Simulatio-
nen konnte Teteryatnikova (2013) illustrieren, dass selbst ein kleiner Anstieg der
persönlichen Verbindungen zu Personen in einem Zielland die Migrationsrate
signifikant erhöhen kann. In einigen Fällen suchen erfahrene Migrant_innen sogar
explizit nach Neuankömmlingen, wobei sie sorgfältig auswählen, welche Akteure
sie unterstützen (Bashi 2007).
Der Einfluss sozialer Netzwerke auf die Entscheidungsfindung sollte
jedoch nicht ausschließlich positiv betrachtet werden. Drei Argumente werden
dafür angeführt. Netzwerke können 1) die Auswahl der Auswanderungsziele
durch sogenannte „Migrationskorridore“ beschränken, indem sich bestimmte
Migrationsgruppen auf bestimmte Zielländer fokussieren, wodurch eine
Abhängigkeit (z. B. Kosten für Schleuser) entstehen kann (z. B. De Haas 2007;
Parsons et al. 2007). Auch wenn die Auswirkungen von Netzwerkstrukturen noch
nicht im Detail erforscht sind, gehen Forscher_innen davon aus, dass 2) dichte
Netzwerke und starke, unterstützende Verbindungen im Ausreiseland (z. B. durch
enge emotionale Bindungen) Migration auch verhindern können (Haug 2000a;
Stelzig-Willutzki 2012). Schließlich kann 3) netzwerkbasierte Migration sowohl
zu Abhängigkeit von Personen als auch von ganzen Volkswirtschaften führen, in
dem z. B. Länder abhängig von Rücküberweisungen sind (Boyd 1989).
2.2 Migrant_innennetzwerke in der Transit- oder
Grenzübergangsphase
Ein weiterer Forschungsstrang beleuchtet die Rolle von sozialen Netzwerken
während der Wanderung auf den unterschiedlichen Migrationsrouten. Aktu-
elle Ethnografien (z. B. Andersson 2014) beschreiben die physischen Gefahren,
Gewalt und Ausbeutung, denen Migrant_innen häufig auf Süd-Nord-Routen
ausgesetzt sind. Die wenigen Studien, die sich mit der Rolle von sozialen Netz-
werken in dieser Phase befassen, argumentieren, dass persönliche Bindun-
gen die Grenzüberschreitung erleichtern. Zum Beispiel liefern persönliche
Verbindungen wertvolle Informationen über die Suche nach Helfer_innen oder
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Buch Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten - Eine neue Perspektive für die Forschung"
Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
Eine neue Perspektive für die Forschung
- Titel
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten
- Untertitel
- Eine neue Perspektive für die Forschung
- Autoren
- Andreas Klärner
- Markus Gamper
- Sylvia Keim-Klärner
- Irene Moor
- Holger von der Lippe
- Herausgeber
- Nico Vonneilich
- Verlag
- Springer VS
- Ort
- Wiesbaden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-21659-7
- Abmessungen
- 14.5 x 21.0 cm
- Seiten
- 436
- Kategorie
- Medien
Inhaltsverzeichnis
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten – eine neue Perspektive für die Forschung 1
- Theoretische und methodische GrundlagenSoziale Beziehungen, soziales Kapital und sozialeNetzwerke – eine begriffliche Einordnung 33
- Netzwerktheorie(n) – Ein Überblick 49
- Wirkmechanismen in sozialen Netzwerken 65
- Negative Beziehungsaspekte und gesundheitliche Ungleichheiten 87
- Netzwerkanalyse – eine methodische Annäherung 109
- Soziale Netzwerke, familiales Sozialkapital und kindliche Gesundheit 137
- Soziale Netzwerke, Gesundheit und gesundheitliche Ungleichheiten im Jugendalter 163
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im jungen und mittleren Erwachsenenalter 193
- Soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten im Alter 227
- Ungleichheitsdimensionen Sozialer Status, soziale Beziehungen und Gesundheit 257
- Geschlecht und gesundheitliche Ungleichheiten – Soziale Netzwerke im Kontext von Gesundheit und Gesundheitsverhalten 273
- Arbeitslosigkeit, soziale Netzwerke und gesundheitliche Ungleichheiten 309
- Soziale Netzwerke und die Gesundheit von Alleinerziehenden 329
- Soziale Netzwerke und Behinderung – Zugang und Stabilisierung der Einbindung in den allgemeinen Arbeitsmarkt 347
- Migration als gesundheitliche Ungleichheitsdimension? Natio-ethno-kulturelle Zugehörigkeit, Gesundheit und soziale Netzwerke 369