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ren Erfüllung auch nicht auf Dritte delegiert werden darf.34 Die kaufver-
tragliche Lieferpflicht ist in aller Regel keine solche, weil es dem Käufer
nur auf die Ware ankommt, nicht dagegen auf die Person des Verkäufers.
Selbst wenn daher einem konkreten Verkäufer die Erfüllung aus persönli-
chen Gründen unzumutbar sein sollte, etwa weil er wegen seiner Zugehö-
rigkeit zu einer Risikogruppe jedes Infektionsrisiko vermeiden und daher
im Rahmen der Lieferung nicht in Kontakt zum Kunden treten möchte,
spricht in diesem Fall nichts gegen eine Delegation der Lieferpflicht auf
Dritte – selbst wenn diese mit Mehrkosten verbunden sein sollte. Die Fra-
ge, inwieweit diese Mehrkosten aufzubringen sind, beantwortet aus-
schließlich §275 Abs.2 BGB; §275 Abs.3 BGB ist demgegenüber nicht an-
wendbar.35
e) Die vorstehend dargestellten Maßstäbe beschreiben nicht nur die
Grenzen des Erfüllungsanspruches, sondern zugleich den Umfang der „im
Verkehr erforderlichen Sorgfalt“ im Sinne von §276 Abs.2 BGB. Daher
hat ein Verkäufer seine Nichtleistung zu vertreten i.S.v. §280 Abs.1 S.2
bzw. §286 Abs.4 BGB, wenn er diesen Maßstab unterschreitet. Hat der
Verkäufer darüber hinaus sogar eine Garantie für die Belieferung über-
nommen, also vertraglich erklärt, dass er für die Folgen einer Nichtleis-
tung unabhängig von seinem Verschulden einstehen werde, so kommt es
auf ein Verschulden im vorstehend beschriebenen Sinne gar nicht an: Er
hat seine Nichtleistung immer dann zu vertreten, wenn das betroffene Ri-
siko von seiner Garantie umfasst ist. Daher ist insoweit zunächst der ge-
naue Wortlaut der Garantieerklärung zu untersuchen, ob er auch ein Pan-
demierisiko umfasst.36 Finden sich im Wortlaut keine Anhaltspunkte hier-
für, ist im Wege der Auslegung weiter zu prüfen, ob dies zumindest dem
Willen der Parteien entsprach. Im Hinblick darauf, dass die Covid-19-Pan-
demie ein völlig unvorhersehbares Risiko darstellt, wird man nicht ohne
weiteres annehmen können, dass eine Liefergarantie auch dieses umfasst.
34 Vgl. M. Weller, Persönliche Leistungen, 2012, S.21ff., 241ff.; s. auch Ernst
(Fn.26), §275 Rn.117; C.-W. Canaris, Das Leistungsverweigerungsrecht wegen
Unzumutbarkeit der Leistung in einer Kollisions- oder Konfliktslage nach deut-
schem Recht, in: M. V. de Giorgi/S. Delle Monache/G. de Cristofaro (Hrsg.), Stu-
di in onore di Giorgio Cian, 2010, S.383 (385, 388f.).
35 Näher Riehm (Fn.20), §275 Rn.265ff.
36 S. auch unten D.IV zu den Folgen der Übernahme eines Beschaffungsrisikos.
Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245