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Dementsprechend haben auch im Wege eines freien Dienstvertrags be-
schäftigte Orchestermusiker, die an einer abgesagten Aufführung hätten
mitwirken sollen, nach §615 BGB grundsätzlich Anspruch auf das entgan-
gene Honorar (abzüglich ersparter Aufwendungen, etwa für Fahrtkosten,
vgl. §615 S.2 BGB). Ein wörtliches Angebot der Dienstleistung (§295
BGB) ist hierfür nicht erforderlich, weil der Konzertveranstalter durch sei-
ne Absage zum Ausdruck bringt, dass er die Dienste des Musikers für die
geplante Aufführung unter keinen Umständen anzunehmen bereit ist.83
Auch beim Engagement von Künstlern (etwa zur Mitwirkung an einer Or-
chesteraufführung) wird allerdings vertreten, dass ein behördliches Veran-
staltungsverbot die Unmöglichkeit der Dienstleistung bewirke.84 Auch
hier wird man wiederum – wie beim Werkvertrag (oben E.II) – nach dem
genauen Inhalt der behördlichen Anordnung differenzieren müssen.
Fazit
Betrachtet man die vertragstypenübergreifenden Rechtsfolgen der typi-
schen Corona-bedingten Leistungsstörungen, so lässt sich folgendes Bild
festhalten:
1. Soweit die Parteien – etwa in einer Force Majeure-Klausel oder in einer
MAC-Klausel – das Risiko von Leistungsstörungen infolge höherer Ge-
walt explizit unter sich verteilt haben, ist im Wege der Auslegung der
jeweiligen Klausel zu ermitteln, ob sie auch das Pandemierisiko um-
fasst. Bei Force Majeure-Klauseln wird das in der Regel der Fall sein,
wenn der Vertrag vor Bekanntwerden der Pandemie abgeschlossen
wurde. Soweit diese Klausel wirksam vereinbart wurde, gelten vorran-
gig die darin festgelegten Rechtsfolgen.
2. Geldschuldner geraten – vorbehaltlich des Moratoriums gem. Art.240
§1 EGBGB – auch bei Corona-bedingten Zahlungsschwierigkeiten in
Verzug („Geld hat man zu haben“). Abhilfe kann hier allenfalls durch
eine Vertragsanpassung oder -auflösung nach den Grundsätzen vom
Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. §313 BGB geschaffen werden.
3. Bei Störungen auf Seiten des Leistungsschuldners (Verkäufers, Werk-
unternehmers, Dienstverpflichteten) bestimmen sich die Grenzen der
G.
83 S. dazu BGH NJW 2001, 287 (288); Dötterl (Fn.76), §295 Rn.30.
84 Spenner/Estner, Veranstaltungsabsagen (Fn.59), S.855; s. zur Parallelproblematik
beim Werkvertrag oben E.II. Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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