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jeweiligen Leistungspflicht nach §275 Abs.1 bis 3 BGB sowie ggfs.
nach einer Vertragsanpassung gem. §313 BGB.
a. Soweit diese Grenzen noch nicht erreicht sind, bleibt er zur Leis-
tung verpflichtet und schuldet bei Nichtleistung Verzögerungs-
schaden sowie ggfs. Schadensersatz statt der Leistung gem. §§280
Abs.1, Abs.3, 281 BGB; zudem ist der Gläubiger (Käufer, Besteller,
Dienstberechtigte) regelmäßig zum Rücktritt bzw. zur außeror-
dentlichen Kündigung berechtigt. Bei einem absoluten Fixgeschäft
hat der Gläubiger in diesem Fall unmittelbar einen Anspruch auf
Schadensersatz statt der Leistung gem. §§280 Abs.1, Abs.3, 283
BGB.
b. Sind die Grenzen der Leistungspflicht gem. §275 BGB überschrit-
ten, liegt typischerweise ein Fall der vorübergehenden Unmöglich-
keit, Leistungserschwerung oder persönlichen Unzumutbarkeit
vor. Dies führt im praktischen Ergebnis dazu, dass die beiderseiti-
gen Leistungspflichten analog §275 BGB bzw. gem. §§320f. BGB
für die Dauer des Leistungshindernisses suspendiert sind; der Ver-
trag bleibt gewissermaßen „in der Schwebe“. Der Gläubiger kann
diese Schwebelage allerdings durch einen Rücktritt gem. §323
BGB beenden; dieses Rücktrittsrecht ist von einem Verschulden
des Schuldners unabhängig und setzt entweder eine Fristsetzung
gem. §323 Abs.1 BGB oder einen Entbehrlichkeitsgrund nach
§323 Abs.2 BGB voraus. Bei absoluten Fixgeschäften tritt mit Ab-
lauf des Leistungszeitraums dauernde Unmöglichkeit ein, sodass
die Gegenleistungspflicht unmittelbar gem. §326 Abs.1 BGB ent-
fällt und eine ggfs. schon erbrachte Gegenleistung gem. §326
Abs.4 BGB zu erstatten ist.
4. Bei Störungen auf Seiten des Leistungsgläubigers tritt – wenn der
Schuldner an sich leisten dürfte und könnte – Annahmeverzug ein. Im
Dienstvertrag kann der Dienstverpflichtete dann ein Annahmeverzugs-
honorar gem. §615 BGB verlangen, selbst wenn der Grund für die An-
nahmeverweigerung sich aus Sicht des Dienstberechtigten als höhere
Gewalt darstellt. Beim Werkvertrag schließt die Rechtsprechung dage-
gen die Anwendung des §642 BGB zugunsten des Unternehmers aus.
5. Alle vorstehend genannten leistungsstörungsrechtlichen Folgen stehen
unter dem Vorbehalt einer möglichen Vertragsanpassung oder -auflö-
sung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§313 BGB). Nur diese
Regelung führt potenziell zu einer gleichmäßigen Verteilung des (uni-
versellen) Pandemierisikos zwischen den Parteien anstelle einer „Alles-
oder-Nichts“-Lösung, wie sie das allgemeine Leistungsstörungsrecht ty-
pischerweise bewirkt.
Thomas Riehm
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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