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Sachverhalten scharf im Auge behalten müssen. Für die Folgeerörterungen
wird die Anwendung deutschen Sachrechts unterstellt.
Struktur des §313 BGB und eine Übertragung von Corona-Fällen
Tatbestand
Der Tatbestand des §313 Abs.1, 2 BGB verlangt, dass wesentliche Umstän-
de oder Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind,
sich nach Vertragsschluss wesentlich geändert oder als fehlerhaft herausge-
stellt haben und dass die Parteien, hätten sie dies vorhergesehen, den Ver-
trag nicht oder nicht in dieser konkreten Ausgestaltung geschlossen hät-
ten.40 Darüber hinaus muss es nach Würdigung aller Umstände des Einzel-
falls der belasteten Partei unzumutbar sein, am unveränderten Vertrag fest-
gehalten zu werden. Strukturell wird von einem realen/faktischen, einem
hypothetischen und einem normativen Element gesprochen.41
Die Folgen der Pandemie führen nunmehr zu einer Reihe von konkre-
ten Fällen, in denen das faktische und das hypothetische Element erkenn-
bar erfüllt sind,42 auch wenn es außerhalb solcher Katastrophenfälle viel-
fach schwer ist, eine für die Parteien des jeweiligen Vertrages antizipations-
fähige Grenze zu formulieren. Wenn jedoch vertragliche Leistungen un-
vorhergesehen schlicht nutzlos werden, Räumlichkeiten nicht mehr
zweckadäquat einzusetzen sind, Lieferungen wegen Restriktionen ausblei-
ben und weitere vergleichbare Probleme auftreten, deren Ausgangspunkt
die Parteien nicht im Ansatz erwartet haben, so wird man die Schwelle als
überschritten ansehen können. Dass dies im Zweifel auch durch die Judi-
katur gestützt werden wird, ist durch die früheren Entscheidungen zu Epi-
demien bei der Bestimmung höherer Gewalt indiziert.43
Ob jeweils die Geschäftsgrundlage oder der Geschäftsgegenstand betrof-
fen ist, wird zwar vom Gesetzeswortlaut als vermeintlich relevante Unter-
scheidung eingeführt, erweist sich jedoch entsprechend der berechtigten
II.
1.
40 Prägnante Übersicht bei M. Stürner, in: H. Prütting/G. Wegen/G. Weinrich
(Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch: Kommentar, 12.Aufl., Köln 2017, §313
Rn.8ff.
41 So etwa T. Finkenauer (Fn.17), §313 Rn.56.
42 Vgl. hierzu etwa A. Schall, Geschäftsgrundlage (Fn.3), S.388 (390ff.); S. Sittner,
Mietrechtspraxis (Fn.3), S.1169 (1171).
43 Vgl. etwa AG Augsburg BeckRS 2004, 16212; AG München NJW-RR 2008,
S.139; LG München I RRa 2008, S.269.
Jens Prütting
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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