Seite - 64 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
Bild der Seite - 64 -
Text der Seite - 64 -
Lösungsansatz nach Mietmängelrecht
Die hoheitliche Schließungsverfügung, die im jeweiligen Einzelfall – als
rechtlich wirksam und damit bindend unterstellt – den betroffenen Ver-
kaufsraum des Mieters in einer zentralen Hinsicht nutzlos werden lässt,
könnte sich als Sachmangel iSd §536 Abs.1 BGB darstellen und zur Min-
derung führen. Ob von einem Sachmangel wegen gestörter Umweltbezie-
hungen63 oder einem öffentlich-rechtlichen64 Mangel mit hinreichendem
Bezug zur Mietsache jedoch ausgegangen werden kann, ist stark umstrit-
ten. Eine ausführliche Erörterung zur Thematik bietet der Beitrag von
Brinkmann, in welchem der Autor zunächst herausstellt, dass die Not-
standsgesetzgebung in Art.240 EGBGB für diesen Fragenkomplex nicht
einschlägig ist und sodann zu dem Ergebnis kommt, dass mangels hinrei-
chenden Bezugs zu Beschaffenheit, Zustand oder Lage der Mietsache die
Störung der Umweltbeziehung in das Verwendungsrisiko des Mieters fal-
le.65 Hierfür beruft sich Brinkmann insbesondere auf eine nähere Analyse
der Rechtsprechungsgenese zur Störung der Umweltbeziehungen und zu
hoheitlichen Restriktionen und sieht allem voran weitreichende Parallelen
zum Nichtraucherschutzurteil des BGH,66 aus welchem er einen erst-recht-
Schluss ableitet.67 Zum gegenteiligen Ergebnis gelangen Weller/Thomale
mit einer näher erörterten Differenzierung zu Verwendungs- und Ver-
wendbarkeitsrisiko im Mietmängelrecht.68 Dabei gehen Weller/Thomale da-
von aus, dass die Verwendungsabsicht der in Rede stehenden Räume ver-
traglich zwischen den Parteien als „Einzelhandelsverkaufsräume“ erfasst
sind.69 Hiervon ausgehend werden die hoheitlichen Coronabeschrän-
kungsmaßnahmen als vollständiger Ausschluss denkbaren Publikumsver-
kehrs gewertet, die das Objekt aus Eigentümersicht a priori nicht hätten
vermietungsfähig erscheinen lassen und mithin in das Verwendbarkeitsri-
siko fallen sollen.
Ohne hierauf einen ausufernden Schwerpunkt der Untersuchung zu le-
gen, sei dahingehend Stellung genommen, dass Argumentation und Her-
angehen von Weller/Thomale in den meisten Fällen überzeugender erschei-
a)
63 Vgl. BGH NJW 2009, S.664 Rn.34.
64 Hierzu BGH NZM 2014, S.165 Rn.20.
65 M. Brinkmann, Niemand zahlt mehr Miete!?, in: D. Effer-Uhe/A. Mohnert (Hrsg.),
2020, C II.
66 BGH NJW 2011, S.3151.
67 M. Brinkmann, Miete (Fn.65), C II.
68 M. Weller/C. Thomale, Gewerbemietrecht (Fn.3), S.962 (964).
69 M. Weller/C. Thomale, Gewerbemietrecht (Fn.3), S.962 (963).
Jens Prütting
64
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
zurück zum
Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
- Transportrecht in der Corona-Krise 205
- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245