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Zusammenhang bislang, soweit ersichtlich, nicht diskutierte Problematik
betrifft Fälle, in denen eine Leistung nicht aus rechtlichen Gründen un-
möglich wird, sondern lediglich von behördlicher Seite empfohlen wird,
die Leistung nicht zu erbringen bzw. nicht in Anspruch zu nehmen. So ist
beispielsweise denkbar, dass öffentliche Veranstaltungen in absehbarer
Zeit wieder erlaubt werden, Behörden oder Gesundheitsexperten aber
empfehlen, von solchen Veranstaltungen weiterhin Abstand zu nehmen.
Darf die Opernsängerin einen erlaubten Auftritt mit der Begründung absa-
gen, sie habe nach wie vor Sorge vor dem Infektionsrisiko und möchte
sich daher von öffentlichen Veranstaltungen (natürlich unter Verzicht auf
ihre Gage) lieber fernhalten? Die Frage wird sich nicht pauschal bejahen
oder verneinen lassen.28 Allerdings müssen schon besondere Umstände des
Einzelfalles vorliegen, die dazu führen, dass in einer solchen Situation die
im Rahmen des §275 Abs.3 BGB gebotene Abwägung des persönlichen
Leistungshindernisses des Schuldners mit dem Leistungsinteresse des
Gläubigers zugunsten des Schuldners ausfällt. Dies kann etwa dann der
Fall sein, wenn der Schuldner aufgrund von Vorerkrankungen oder seines
Alters zu einer besonderen Risikogruppe zählt.
Zwischenfazit: Gesetzliche Zuweisung des Risikos pandemiebedingter
Leistungsstörungen an den Schuldner
Mit gewissen Unterschieden hinsichtlich der konkreten Voraussetzungen
und der dogmatischen Herleitung hat der Gläubiger bei allen in Folge der
Corina-Pandemie möglicherweise auftretenden Leistungsstörungen das
Recht, die Gegenleistung zu verweigern und sich vom Vertrag zu lösen.
Schadensersatzansprüche werden nur ausnahmsweise in Betracht kom-
men, da sie das Vertretenmüssen des Schuldners voraussetzen, das sich bei
pandemiebedingten Leistungsstörungen vor allem bei Übernahme einer
Garantie oder eines Beschaffungsrisikos bejahen lässt.
Alle hier skizzierten Fälle von Leistungsstörungen haben gemeinsam,
dass innerhalb der jeweiligen vertraglichen Beziehung das Risiko der Leis-
tungsstörung der Schuldner trägt: Er ist es, der den vertraglichen Anspruch
auf die Gegenleistung spätestens dann verliert, wenn der Gläubiger vom
V.
28 Für eine großzügige Handhabung von §275 Abs.3 BGB M.-P. Weller/M. Lieber-
knecht/V. Habrich, Virulente Leistungsstörungen (Fn.10), S.1020 mit Blick auf die
Absage von Veranstaltungen (Rücksichtspflicht gem. §241 Abs.2 BGB gegenüber
der Gesamtheit der Besucher).
Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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