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ist.32 Hier könnte man an die „Soforthilfen“ denken, mit denen Betroffene
finanziell unterstützt werden (s.u. II.2.b). Die Soforthilfe ist aber wohl nur
zur Deckung betrieblicher Kosten gedacht. Auf der Website des Ministeri-
ums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes
Nordrhein-Westfalen heißt es: „Die Unternehmen sollen bei der Sicherung
ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzie-
rungsengpässen, u.a. für laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für
Betriebsräume, Leasingraten u.ä., sowie dem Erhalt von Arbeitsplätzen
durch einen Zuschuss unterstützt werden. (Zur Reduzierung von Perso-
nalkosten gibt es das Kurzarbeitergeld.)“.33 Infolgedessen lässt der Erhalt
von Soforthilfe das pandemiebedingte Leistungshindernis für Verbrau-
cherverträge nicht entfallen.
Ausschluss bei Unzumutbarkeit für den Gläubiger
Das Leistungsverweigerungsrecht besteht gem. Art.240 §1 Abs.3 S.1
EGBGB ausnahmsweise nicht, wenn es die wirtschaftliche Grundlage des
Erwerbsbetriebs des Gläubigers gefährden würde. Laut Gesetzesbegrün-
dung soll die unzumutbare wirtschaftliche Situation nicht einfach vom
Schuldner auf den Gläubiger verschoben werden.34
Wann bei den oben genannten Verträgen der Daseinsvorsorge dem
Gläubiger die Leistung unzumutbar sein soll, erschließt sich aus der Geset-
zesbegründung nicht. Es erscheint fernliegend, dass die wirtschaftliche
Grundlage des Erwerbsbetriebs, z.B. eines Telekommunikationsunterneh-
mens, dadurch gefährdet wird, dass ein einzelner Kunde seine Rechnung
drei Monate lang nicht bezahlt.35 Was solche Anbieter möglicherweise in
Bedrängnis bringen könnte, ist ein Zahlungsstopp einer großen Zahl von
Kunden.36 Wollte man dies berücksichtigen, wofür der Wortlaut der
Norm keine Stütze bietet, hätte man wie beim Verbraucher das Folgepro-
blem, wem gegenüber sich der Betreffende auf die Unzumutbarkeit beru-
fen darf. Gäbe es beispielsweise eine zahlenmäßige Schwelle der Zumut-
3.
32 BT-Drucks. 19/18110, S.34; ebenso Liebscher/Zeyher/Steinbrück, Leistungsstörun-
gen (Fn. 25), S.853f.
33 Vgl. https://www.wirtschaft.nrw/nrw-soforthilfe-2020 (zuletzt abgerufen am
6.6.2020); ferner die Einschätzung von Niepmann, Unterhalt (Fn. 17), S.383.
34 BT-Drucks. 19/18110, S.35.
35 Markworth/Bangen, Coronakrise (Fn. 16), S.363; Scholl, Art.240 EGBGB (Fn. 18),
S.767; Rüfner, Corona-Moratorium (Fn. 14), S.446.
36 Rüfner, Corona-Moratorium (Fn. 14), S.446.
Ann-Marie Kaulbach und Bernd Scholl
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
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