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Für ein Leistungsverweigerungsrecht besteht kein Raum, wenn die Leis-
tung nicht nachholbar ist. Vorübergehende Unmöglichkeit passt nicht für
Dauerschuldverhältnisse und schon gar nicht für Dauerschuldverhältnisse
mit Fixschuldcharakter.69
Nach §275 Abs.3 BGB kann der Schuldner eine persönlich zu erbrin-
gende Leistung verweigern, wenn sie ihm unter Abwägung des seiner Leis-
tung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des
Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Das könnte etwa der Fall sein,
wenn der Schuldner einen an COVID-19 erkrankten Angehörigen pflegt.70
Auch die Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsgefährdung des
Dienstverpflichteten kann nach §275 Abs.3 BGB zur Leistungsverweige-
rung berechtigen.71 Das liegt nahe, wenn der Schuldner zu einer besonders
gefährdeten Risikogruppe gehört. Dass bei Ausübung des Leistungsverwei-
gerungsrechts auch der Anspruch auf die Gegenleistung nach §326 Abs.1
BGB entfällt, ist für den Schuldner unerfreulich, aber Folge des Synallag-
mas. Man könnte darüber nachdenken, ob Art.240 EGBGB eine vorrangi-
ge Sonderregel sein soll. Dann könnte beispielsweise ein in Bedrängnis ge-
ratener Carsharing-Anbieter seine Leistung verweigern, aber dennoch wei-
ter das Grundentgelt der Kunden abbuchen. Damit würde der Schaden im
Ergebnis an die Verbraucher durchgereicht. Dafür, dass der Gesetzgeber
das erreichen wollte, ist nichts ersichtlich. Infolgedessen besteht in Fällen
persönlicher Unmöglichkeit für das Leistungsverweigerungsrecht nach
Art.240 §1 Abs.2 EGBGB kein Raum.
69 So auch Rüfner, Corona-Moratorium (Fn. 14), S.446; vgl. allgemein Dauner-Lieb
(Fn. 67), §275 Rn.32, 68; zur Anwendung des §275 BGB in der Krise Liebscher/
Zeyher/Steinbrück, Leistungsstörungen (Fn. 29), S.856ff.; M.-Ph. Weller/M. Lieber-
knecht/V. Habrich, Virulente Leistungsstörungen – Auswirkungen der Corona-Kri-
se auf die Vertragsdurchführung, NJW 2020, S.1017 (1019f.).
70 Liebscher/Zeyher/Steinbrück, Leistungsstörungen (Fn. 29), S.858; sofern der Kon-
takt zu der erkrankten Person eine Quarantäne des Pflegenden zur Folge hat,
wird ein etwaiger Verdienstausfall wieder durch §56 IfSG kompensiert. Zur Pfle-
ge eines nahen Angehörigen als Anwendungsfall des §275 Abs.3 BGB s. B. Scholl,
Die Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung nach §275 Abs.3 BGB, Jura 2006, S.283
(284f.).
71 Dauner-Lieb (Fn. 67), §275 Rn.62; Scholl, Unzumutbarkeit (Fn. 70), S.285; mit
Bezug zur Corona-Krise jüngst Liebscher/Zeyher/Steinbrück, Leistungsstörungen
(Fn. 29), S.858. Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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