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auf die coronabedingten behördlichen Nutzungsbeschränkungen fehlt es
wie soeben erläutert schlicht am Zusammenhang mit der Beschaffenheit
der Geschäftsräume.82 Die betroffenen Mieter müssen ihre Geschäfte nicht
deswegen geschlossen halten, weil eine Gefahr von den Räumen ausgeht,
sondern weil eine Gefahr von den Menschen ausgeht, die sich andernfalls
in den Geschäften aufhalten würden.
Zwar hat das RG mit Blick auf kriegsbedingte Verbote von Tanzveran-
staltungen die Annahme eines Mangels bei einem gepachteten Tanzlokal
in einem Urteil aus dem Jahr 1917 für „nicht zu beanstanden“ gehalten.83
Allerdings würde die Heranziehung dieser Rechtsprechung für die Ver-
tragsparteien mit Blick auf die Corona-Krise im Ergebnis wohl Steine statt
Brot bedeuten: In dem Verfahren hatte der Pächter auf Feststellung ge-
klagt, dass er für die Dauer des Tanzverbots von der Verpflichtung zur
Zahlung des Pachtzinses befreit sei. Der Verpächter hat widerklagend
einen Räumungsanspruch geltend gemacht. Das RG kam zu dem Ergeb-
nis, dass wohl beiden Ansprüchen stattgegeben werden könne. Aus dem
Vertrag ergäbe sich, dass die verpachteten Räume die „Eigenschaften der
Räume einer Tanzwirtschaft an sich tragen“.84 Das Tanzverbot hätte „die
Ausnutzung dieser Eigenschaft verhindert, den Pachtgegenstand selbst ge-
troffen und deshalb einen Mangel […] verursacht“.85 Jedoch, so das RG
weiter, wäre das durch die Verbotsvorschrift geschaffene Erfüllungshinder-
nis auch unter dem Gesichtspunkt der unverschuldeten nachträglichen
Unmöglichkeit zu würdigen.86 Dies sei notwendig, sofern dem Verpächter
kein vertragliches Kündigungsrecht zur Seite stehe und auch eine Zah-
lungsverzugskündigung mangels Zahlungspflichten des Pächters nicht in
Betracht komme.87 Bei einem gegenseitigen Vertrag folge aus §§275,
323a.F. BGB (nunmehr §326 BGB), dass der Schuldner bei einer von kei-
ner Partei zu vertretenen Unmöglichkeit von seiner Leistungspflicht be-
freit werde und den Anspruch auf die Gegenleistung verliere.88 Diese
Grundsätze können neben den Sondervorschriften der §§536ff. BGB zur
Anwendung kommen, denn bei einem unverschuldeten unheilbaren Man-
gel komme weder ein Erfüllungsanspruch nach §536 BGB a.F. (heute
§535 Abs.1 S.2 BGB) noch ein Schadensersatzanspruch des Mieters nach
82 So i.E. auch E. Streyl, COVID 19 (Fn.49), §3 Rn.68ff.
83 RGZ 89, 203.
84 RGZ 89, 203 (205).
85 RGZ 89, 203 (205).
86 RGZ 89, 203 (205).
87 RGZ 89, 203 (205).
88 RGZ 89, 203 (205). Niemand zahlt mehr Miete!?
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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