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Haftung wegen verspäteter Ablieferung durch den Frachtführer aufgrund der
Corona-Krise
Nach dieser holzschnittartigen Einführung in das Frachtrecht werden die
grundlegenden Problemkonstellationen im Zusammenhang mit der Coro-
na-Krise etwas klarer und die zu formulierenden Fragen deutlicher. Gleich-
zeitig bleiben die denkbaren Fallgestaltungen vielfältig. Schon allein der
Umstand, dass ein LKW aufgrund einer Grenzschließung oder auch wegen
umfangreicher Einreisekontrollen im Stau vor einem Grenzübergang
steht, kann unterschiedliche Folgen haben. Führt die Verzögerung des
Transports zu einer verspäteten Ablieferung des Guts, liegt eine Lieferver-
zögerung vor. Dies gilt selbst im Fall einer absoluten Fixschuld, denn aus
transportrechtlicher Sicht kann das Gut auch nach Ablauf der Lieferfrist
noch ausgeliefert werden.14 Ist das Gut aber verderblich und verdirbt wäh-
rend des Transports, weil die Auslieferung nicht rechtzeitig erfolgen konn-
te, liegt eine Beschädigung vor.15 Ist der Schaden eingetreten, weil der Be-
trieb des Empfängers geschlossen war oder weil sich die Ablieferung we-
gen der Einhaltung besonderer Hygienevorschriften im Betrieb des Emp-
fängers verzögert hat, kann eine Schadensteilung gemäß §425 Abs.2 HGB
infrage kommen. Da es hier oftmals entscheidend auf die Umstände des
Einzelfalls ankommt, sollen im Folgenden einige Fallgestaltungen durch-
gespielt werden, die anhand eines immer wieder abgewandelten Falls er-
läutert werden sollen.
Grundfall:
Polen hatte am 14.03.2020, einem Samstag, angekündigt, ab dem dar-
auffolgenden Sonntag seine Grenzen für alle Ausländer zu schließen. Spä-
ter sollten dann umfangreiche Grenzkontrollen stattfinden. Menschen, die
in Polen wohnen, sollten sich nach der Einreise aus Deutschland für 14 Ta-
ge in Quarantäne begeben. Bereits kurz nach der Ankündigung bildeten
sich an den Grenzübergängen nach Polen Staus, die teilweise eine Länge
von teils mehr als 60 Kilometern erreicht und sich erst im Lauf der folgen-
den Woche wieder aufgelöst hatten. Obwohl der Güterverkehr weiter flie-
ßen durfte, standen einige LKW mehrere Tage in den entstandenen Staus;
II.
14 Etwas anderes gilt möglicherweise dann, wenn die Verlustvermutung des §424
HGB eintritt. Siehe zum Ganzen I. Koller, in: ders., Transportrecht Kommentar,
München 2016, §425 HGB, Rn.9a.
15 A. Maurer, in: Staub Großkommentar zum HGB, Band 12/1, Berlin 2017, §425
HGB Rn.21; Koller, Transportrecht, §425, Rn.13.
Andreas Maurer
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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