Seite - 228 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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möglich bleibt. Wird er infolge des Kontaktes gem. §30 IfSG unter Qua-
rantäne gestellt, wird ihm die Arbeitsleistung regelmäßig rechtlich unmög-
lich sein; dies gilt jedenfalls dann, wenn die zuständige Behörde zugleich
ein berufliches Tätigkeitsverbot nach §31 IfSG ausspricht.8 In diesen Fäl-
len wird dem Arbeitnehmer regelmäßig §616 BGB zugutekommen, wel-
cher seinen Entgeltanspruch erhält, wenn er für eine verhältnismäßig
nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne
sein Verschulden an der Leistung verhindert wird.9 Was dabei eine „ver-
hältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ sein soll, ist nach den Umständen der
konkreten Verhinderung zu bestimmen, wobei sich im Falle der behörd-
lich angeordneten Isolation in Anbetracht der Vergleichbarkeit mit dem
tatsächlichen Erkrankungsfall eine Orientierung an der 6-Wochen-Frist des
EFZG anbietet.10 Im Falle eines behördlichen Tätigkeitsverbotes steht dem
Arbeitnehmer ein Entschädigungsanspruch gem. §56 IfSG zu, welcher in
den ersten sechs Wochen vom Arbeitgeber auszuzahlen ist und diesem von
der Behörde erstattet wird. Aus praktischer Sicht ist dieser Anspruch inso-
fern wichtig, da §616 BGB als disponibles Vertragsrecht in Arbeitsverträ-
gen nicht selten abbedungen ist.11
Die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers kann in der Coronakrise aber
nicht nur durch die eigene Infektion oder einen entsprechenden Verdacht
beeinträchtigt sein. Infolge der Schließung sämtlicher Schulen und Kitas
stehen viele Arbeitnehmer vor der Notwendigkeit, während der täglichen
Arbeitszeit ihren Betreuungspflichten nachzukommen; gleiches gilt frei-
lich erst recht, wenn das betreuungsbedürftige Kind selbst erkrankt. In bei-
den Fällen kann der Arbeitnehmer die Leistung gem. §275 III BGB wegen
Unzumutbarkeit verweigern, was allerdings grundsätzlich gem. §326 I
BGB auch den Untergang seines Vergütungsanspruches zur Folge hat.12
§616 BGB wird dem Arbeitnehmer – soweit nicht ohnehin abbedungen –
regelmäßig nur bei einer Erkrankung des Kindes helfen, da die wochenlan-
gen Schul- und Kitaschließungen den Tatbestand regelmäßig nicht mehr
8 K.-S. Hohenstatt/C. Krois, NZA 2020, 413, 414; A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020,
1112, 1113.
9 A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1113.
10 ErfK/U. Preis, §616 BGB Rn.10a; kritisch A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112,
1113.
11 M. Fuhlrott, GWR 2020, 107, 108; J. Grüneberg, ARP 2020, 111, 115; K.-S. Hohen-
statt/C. Krois, NZA 2020, 413, 416.
12 A. Sagan/M. Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1114; M. Fuhlrott, GWR 2020, 107, 108; E.
Dehmel/N. Hartmann, BB 2020, 885, 886.
Stephan Klawitter
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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