Seite - 243 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
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den Arbeitsprozess einher. Arbeitet der Arbeitnehmer infolge der Pande-
mie von zu Hause und stellt ihm der Arbeitgeber dabei sogar teilweise frei,
wann er bestimmte Leistungen zu erbringen hat, stellt sich die Frage nach
dem für den Arbeitnehmerstatus erforderlichen Grad der Weisungsgebun-
denheit, welche sich durch die digitale Distanz zwischen den Arbeitsver-
tragsparteien aufzulösen droht. Solange aber die Weisungsgebundenheit
konstitutives Merkmal für die Reichweite des arbeitsrechtlichen Schutz-
schirms bleibt, besteht jedenfalls die Gefahr, Beschäftigte aufgrund ihrer
neu gewonnen Freiheiten bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung aus
dem Arbeitsrecht zu verlieren.
Insoweit wird spannend zu beobachten sein, welchen Einfluss die Er-
kenntnisse aus der Krise auf die Fragen der Flexibilisierung von Arbeitsver-
hältnissen haben werden. So dürfte gerade die Debatte um einen An-
spruch auf Homeoffice infolge der Pandemie zusätzlich an Fahrt gewin-
nen.62 Besonders Pendler, die in der Krise wochenlang ohne größere Ein-
bußen von zu Hause gearbeitet und dabei die Vorteile wegfallender Fahr-
zeiten zu genießen begonnen haben, dürften auch nach der Pandemie ein
gestiegenes Interesse an größerer Arbeitsort und -zeitflexibilität haben.63
Insofern begründet die gegenwärtige Krise für den Beschäftigungsmarkt,
neben den hiermit nicht zu relativierenden, wirtschaftlichen Gefahren,
auch die Chance der praktisch erzwungenen Erkenntnis digitaler Entwick-
lungspotentiale, die nicht nur während der Pandemie, sondern vor allem
auch über sie hinaus Möglichkeiten zur Verbesserung und Vereinfachung
betriebsinterner Vorgänge bieten.
Eine weitere Chance der Coronakrise hat der Beschäftigungsmarkt aller-
dings bereits jetzt schon verpasst. So haben nur wenige Themen den ar-
beitspolitischen Diskurs der letzten zehn Jahre so sehr dominiert wie die
Notwendigkeit der Weiterbildung von Arbeitnehmern, ganz besonders
vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung und dem hiermit ver-
bundenen Erfordernis des Erwerbs informatorischer Kompetenzen.64 Die
62 M. Fuhlrott/K. Fischer plädieren insoweit ebenfalls für die Normierung der Gren-
zen einer Homeoffice-Pflicht, NZA 2020, 345, 350.
63 Laut einer Kurzbefragung des Bayrischen Forschungsinstituts für Digitale Trans-
formation wünschen sich 68% der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die
Homeoffice bei ihrer Tätigkeit grundsätzlich für möglich halten, auch nach der
Coronakrise mehr Homeoffice als zuvor, R. Stürz et. al., Digitalisierung durch
Corona?, https://www.bidt.digital/studie-homeoffice (zuletzt abgerufen am
06.06.2020).
64 Beispielhaft R. Giesen/J. Kersten, Arbeit 4.0, 2018, S.40; zuletzt A. Bromme, in: Kla-
witter et. al. (Hrsg.), Assistententagung im Arbeitsrecht 9 (2019), S.181ff.
Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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