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Der Anfang der Wandlung Israels 29
Vergebens versuchte Hanna, ihn aus seinen Gedanken zu reiĂźen. Vergebens ermunterte ihn
die Mutter : »Sei lustig, mein Junge. Junge Leute dürfen nicht den Kopf hängen lassen. Du
hast doch keine Ursache zu Sorgen …« Dann seufzte Eldad tief und antwortete : »Oh ja, Frau
Asriel, ich habe Sorgen, schwere Sorgen. Ich mache mir Sorgen um die Juden.« – »Das ist doch
nicht deine Sache, Herr Eldad«, warf ihm die alte Frau vor, während Hanna ihn heimlich
streichelte. »Dafür sind doch andere Leute da, die Führer des Volkes. Die Rabbonim oder die
FĂĽhrer der Zionisten, Weizmann oder Brandeis oder wie diese Leute alle heiĂźen. Was kannst
denn du tun, du Armer, und was kannst du helfen, wenn du dich sorgst ? Lasse die Sorgen an-
deren und lasse den Heiligen im Himmel ĂĽber sein Volk wachen. ER weiĂź am besten, was uns
Not tut« (AWI 257, kursiv : D.G.).
Die »Sorgen um die Juden« teile Eldad demnach – aus der Sicht der sephardischen
Geweret AsrielÂ
– mit dem allmächtigen Himmelsvater höchstpersönlich, der »über sein
Volk« sorgsam die Wache hält. Dass damit aber derÂ
– auch nach dem Zweiten Weltkrieg
und der ShoaÂ
– noch durchaus virulente Antisemitismus wieder befeuert werden könnte,
der sich seit jeher am jüdischen Selbstanspruch eines von Gott »auserwählten Volkes«
entzĂĽndet hatte, dĂĽrfte dem Autor gegen Ende seines Lebens bewusst geworden sein,
als er sich für einen neuen, nunmehr definitiven, ›neutraleren‹, aber nichtsdestoweniger
politisch bedeutungsvollen Titel entschied : Der Anfang der Wandlung Israels.
Der junge Romanheld, ein ehemaliger schneidiger Kosakenoffizier, sollte als verdeck-
tes Selbstporträt des Autors den unsympathischen, in Arnold Zweigs Roman als Ab-
bild Weisls auftretenden Dr. von Marschalkowicz rehabilitieren. In der ideologischen
Gesamtkonzeption kontrastiert somit der rechtszionistische palästinensische Schlüssel-
roman Weisls dem vorangegangenen linkszionistischen aus der Feder Arnold Zweigs.
Das explizite unmittelbare realhistorische Vorbild Eldad Schu’als ist der ebenfalls aus
Russland stammende jüdische Nationalheld und Märtyrer Joseph Trumpeldor, dessen
Schicksal vielfach dargestellt wurde, nicht nur geschichtswissenschaftlich32, sondern
auch novellistisch, z. B. von Israel Kanner (1907–1978)33, oder dramatisch, z. B. von Max
Zweig (1892–1992)34 und dem arabisch-deutschen Autor Asis Domet (1890–1943)35,
der sichÂ
– freilich nur kurzfristigÂ
– der zionistischen Bewegung angeschlossen hatte.
Kurz vor Veröffentlichung der hebräischen Übersetzung von Weisls Roman war im
April 1934 eine bibliophile Broschüre über die obergaliläischen, jüdisch-arabischen
32 Siehe Literaturverzeichnis (S. 354).
33 Israel Zwi Kanner : Josef TrumpeldorÂ
– ein jüdischer Held. Wien : Belf 1936.
34 Max Zweig : Davidia [1919]. München : Schmähling 1972.
35 Asis Domet : Josef Trumpeldor. Trauerspiel in drei Akten. In : Das Zelt. Eine jĂĽdische illustrierte Mo-
natsschrift (Wien) 1 (1924), Heft 5 (Mai), S.Â
169–179, Heft 6 (Juni), S.Â
210–223.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355