Seite - 33 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Bild der Seite - 33 -
Text der Seite - 33 -
Der Anfang der Wandlung Israels 33
zu bemitleidenswerten Märtyrern und Opfern dämonischer, ritualmörderischer Juden.
Vielleicht hatte Weisl in Julius Streichers vulgärem Nazi-Hetzblatt »Der Stürmer« vom
März 1934 den Bericht von einem »abscheulichen« Purim-Bacchanal in Breslau gelesen,
wo Juden eine überlebensgroße Puppe mit dem Namen »Haman-Hitler« aufgestellt
»und sie mit den Rufen ›Nieder mit Hitler ! Mordet Hitler !‹ unter wilden Wut- und
Hassausbrüchen zerstochen« hätten.40 Weisl deutete aber noch eine Reihe weiterer gro-
tesker Analogien zwischen Haman und Hitler an, indem er sich auf die biblische Über-
lieferung berief, wonach Haman gar kein echter, richtiger Perser, sondern ein »Ausländer«
gewesen sei, der zudem nicht einmal von der »arisch-nordischen Rasse« abstammte,
sondern von dem »rassisch minderwertigen« Volk der bösartigen Amalekiter, die seit
jeher mit den Juden verfeindet waren (AWI 274 f.). Auch Hitler war ja kein echter, rich-
tiger »Reichsdeutscher« gewesen, sondern, 1889 im oberösterreichischen Braunau am
Inn gebürtig, ein »Ostmärkler«, ein Abkömmling des habsburgischen Völkergemischs, das
schon von den antisemitischen »All-« und »Großdeutschen« unter Georg Ritter von
Schönerer verachtet worden war.
Hitlers ›arische‹ Herkunft war übrigens selbst von etlichen seiner Parteigenossen bis
hin zu Heinrich Himmler angezweifelt worden. Manche Zeitgenossen behaupteten gar,
dass »Judenblut in seinen Adern« geflossen sei. Wie der biblische Haman nach Ansicht
von Weisls Erzähler gerade wegen seiner rassisch minderwertigen Abkunft die »Aus-
rottung der persischen Israeliten« betrieben habe (AWI 275), so begründeten einige
Hitler-Biographen den vom Reichskanzler befohlenen millionenfachen Völkermord
an den Juden damit, dass »der Erfinder der rassischen Inquisition selbst den strengen
Anforderungen seines eigenen Sippenamtes« nicht genügt hätte.41 Diese bis weit in
die Nachkriegszeit von zum Teil durchaus namhaften Historikern geführte abstruse
Debatte, die am 24. Juli 1967 im deutschen Politmagazin »der spiegel« in einem
vom Herausgeber (Rudolf Augstein) höchstpersönlich verfassten Cover-Artikel aus-
führlich dargestellt wurde, war ihrerseits mehr oder minder bewusst von zählebigen
antisemitischen Ideologemen durchsetzt, die darauf abzielten, den Holocaust nach-
träglich einer geheim gehaltenen jüdischen Abkunft des Reichskanzlers anzulasten. Das
tiefenpsychologische Grundmotiv der nationalsozialistischen Judenvernichtung wäre
dann gewissermaßen ein jüdischer Selbsthass des ostmärkischen »Führers« gewesen, ein
sado masochistisches Syndrom, wie Wolfgang von Weisl es auch seiner im Pariser Exil
(1938/39) – also gleichzeitig mit der Veröffentlichung seines Romans in der »Medina
40 Karl Holz : »Die Mordnacht«. Das Geheimnis des jüdischen Purimfestes ist enthüllt. In : Der Stürmer.
Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit (Nürnberg) 12 (1934), Nr. 11 (März).
41 [Rudolf Augstein] : Dichte Inzucht. In : der spiegel (Hamburg), 24.
Juli 1967, daraus die zitierten
Hypothesen.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
zurück zum
Buch Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus"
Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355