Seite - 38 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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38 A. Kontexte, Aspekte, Kommentare
Kräfte verhältnis von neun zu eins auszugleichen, ja umzukehren : »Masseneinwanderung
und Massenkolonisation bis zur Schaffung einer jĂĽdischen Mehrheit, die allein den Ju-
den Sicherheit vor feindlichen Angriffen geben kann« (AWI 259). Keiner der beiden
leidenschaftlich argumentierenden Widersacher zeigt sich kompromissbereit. Das Zer-
würfnis ist irreparabel, verbittert und höhnisch trennt sich Eldad von Kazprin.
Der Protagonist Eldad Schu’al vertritt in der Romanfiktion denselben Standpunkt,
den sein Autor sowohl in seinem Orientbuch Der Kampf um das Heilige Land wie in
seiner vier Jahrzehnte später verfassten »unkonventionellen Autobiographie« Lang ist
der Weg ins Vaterland einnimmt. Erstaunlich ist jedoch der Befund, dass in Weisls
Memoiren der Arbeiterfunktionär Sprinzak nirgendwo mehr erwähnt wird, obschon
Weisl selbst kurzzeitig dessen Sekretär gewesen sei, wie sich Dan, Weisls Sohn, er-
innert.49
Anstelle der Romanfigur Kazprin tritt in der Autobiographie kein Geringerer als der
spätere israelische Staatspräsident Chaim Weizmann auf. Mit ihm führte Weisl – an-
lässlich der Eröffnung der Hebräischen Universität Jerusalem am 1. April 1925 – in
mehreren Gesprächen dieselbe scharfe, fruchtlose Auseinandersetzung wie im Roman
Eldad mit Kazprin, und beide Politiker, Weizmann wie Kazprin, unterstellen ihrem je-
weiligen Kontrahenten, er wolle das hässliche, armselige Warschauer Judenviertel Na-
lewki nach Palästina exportieren : »Masseneinwanderung verlangen Sie !«, wirft Kazprin
empört seinem Sekretär Eldad vor. »Jeden Juden, der will, sollen wir hereinlassen, auch
den Hausierer und Spekulanten und Krämer aus der Nalewki […] ! Ist das ihr Ernst ?«
(AWI 260, kursiv : D.G.). Und nicht minder entrĂĽstet soll realiter Weizmann die Vor-
schläge Weisls zur Steigerung der jüdischen Einwanderungsraten zurückgewiesen ha-
ben :
Wir wollen kein Nalewki in Eretz Israel […]. Wir wollen hier einen neuen Menschen, einen
neuen Typ Juden schaffen, nicht einfach die Golusjuden50 hierher transportieren. […]. Sehen
Sie nicht, welch schlechten Eindruck diese Menschen auf jeden Besucher, auf jeden Christen
machen ? Das sind die Juden, wie er sie aus den hässlichen Judenvierteln Europas kennt. […].
Ich bin nicht an raschem Tempo der Einwanderung interessiert ; langsam aber sicher. […]. Wir
49 Vgl. Dan von Weisl : In die Heimstatt der Väter. Kampf um das Einwanderungsrecht. In : Tribüne.
Zeitschrift zum Verständnis des Judentums (Frankfurt/M.) 37 (1998), Heft 145, S. 156 : »Eine
Rolle spielte auch der sozialistisch bedingte Pazifismus eines Teils der Pionierbewegung. Der Ver-
fasser dieses Beitrags hörte von seinem Vater, Dr. Wolfgang Zeev von Weisl, daß in den frühen
Zwanziger Jahren der führende Funktionär der Arbeiterbewegung, Josef Sprinzak, dessen Sekretär
von Weisl war, äußerte : ›Wenn wir Palästina nur im Kampf erlangen können, wäre es besser, daß wir
darauf verzichten.‹«
50 Golus : Exil, Diaspora der Judenheit.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355