Seite - 41 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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Der Anfang der Wandlung Israels 41
dischen Arbeitergewerkschaften abzielenden Pläne Eldads »mit allen Mitteln bekämp-
fen« (AWI 306). Es ist der »alte« Barzeew, ein führender Funktionär der Hagana, der
ebenfalls ein realhistorisches Vorbild hat, nämlich den mit Sprinzak gleichaltrigen Israel
Schochat (1886–1961), den Mitbegründer des Hashomer Hazair (»Der Wächter«) und
der Arbeiterlegion Gdud Avoda. Auf Vorschlag Schochats hatte Weisl 1924 mit Otto
Hahn den »ersten Offizierskurs der Hagana« abgehalten (vgl. S. 22). Die Zusammen-
arbeit mit dem Linkssozialisten Schochat währte jedoch nur kurze Zeit. Ein Jahr später,
1925, schloss dieser sich jener Delegation unter der Leitung des tragisch gescheiterten
Chefideologen Menachem Elkind (1897–1938) an, die sich in Moskau vergeblich um
eine Kooperation mit der sowjetischen Komintern bemĂĽhte.52
Wie ihr reales Vorbild Israel Schochat nimmt die Romanfigur Barzeew eine Dop-
pelfunktion wahr, die Eldad für unvereinbar hält : ein Pazifist, der zugleich die Hagana
leitet. Barzeew versteht die Hagana jedoch als defensive Organisation, im wörtlichen
Sinne als eine persönliche Selbstverteidigung, die Palästina als Heimstätte auch der
Araber (AWI 219) und mithin deren politische und rechtliche Gleichstellung mit den
Juden anerkennen möchte, während Eldad in seinem Memorandum eine entschieden
offensive Strategie verfolgt, die demographisch und militärisch den durchschlagen-
den Sieg der Juden ĂĽber die Araber und die Errichtung eines jĂĽdischen Nationalstaats
in Palästina garantieren soll. Zwar legt der Romanerzähler den Begriff der »Verteidi-
gung« auch Eldad in den Mund, aber nicht im Sinne einer persönlichen Selbstvertei-
digung, sondern im Sinne der »Notwendigkeit, Palästina mit der Waffe zu verteidigen«
(AWI 231, kursiv : D.G.). Eldad geht es primär um die Verteidigung eines Landes, des-
sen rechtmäßige, vom jüdischen Gott verheißene Inbesitznahme den revisionistischen
Zionisten als vollendete, unumstößliche Tatsache gilt. Den »betrüblichen« Pazifismus
»so vieler Juden« denunziert Eldad als »die Krankheit des Volkes, gegen die Jabotinsky,
Trumpeldor – und in geziemendem Abstand von diesen Giganten – auch er, Eldad,
kämpften« : »Tod den Philistern !« lautet folgerichtig seine begeisterte, leidenschaftliche
Parole beim rauschenden Purim-Fest in Tel Aviv (AWI 284).
Letztlich muss Eldad aber doch zur Kenntnis nehmen, dass niemand die maxima-
listischen Masseneinwanderungspläne seines Memorandums und schon gar nicht die
darin implizierte Zerschlagung der sozialistischen, »roten« jüdischen Gewerkschaften
zugunsten einer vereinten »gelben« (AWI 265), nationalen und antidemokratischen
Arbeiterorganisation teilt. Ihm wird auch diesmal wieder schmerzhaft bewusst, dass erÂ
–
wie sein Autor – im Lager der gewerkschaftlich organisierten sozialistischen Zionisten
52 Vgl. LWV 267, dazu Götz Hillig : Menachem Elkind, die linkszionistische Organisation Gdud Avoda
und die Komintern. Drei Dokumente aus den Jahren 1926/27. In : Jahrbuch fĂĽr Historische Kommu-
nismusforschung (Berlin) 2007, S.Â
357–376.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355