Seite - 44 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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44 A. Kontexte, Aspekte, Kommentare
werden als zwischen den Fronten agierende Intriganten vorgeführt, deren Gespräche
einer grotesken Posse gleichen. Ihre hinterhältige Parteinahme für die arabischen In-
teressen ist indes evident. In einer effektvollen, demagogischen Rede stachelt Georges
als Gast des Jerusalemer Großmuftis Mohammed Amin al-Husseini (1893–1974) die
Araber zum Angriff gegen die Juden an, die pauschal zu einem bolschewistischen Po-
panz aufgeblasen werden, der mit seiner gott- und sittenlosen Ideologie das Heilige
Land »besudle« und deshalb vernichtet werden müsse. Eine »hundertköpfige Menge«
»brüllt« dem eloquenten Volkstribun zum Dank die Parole »Tod den Juden !« zu (AWI
318). Folglich fragen daraufhin die aufgewiegelten Araber Eldad Schu’al, der als Shomer
(Wächter) die Hagana in Petah Tikwa organisiert, ob »es wahr« sei, »dass am ersten Mai
ein großes jüdisches Fest stattfinden soll, an dem die russischen Juden alle Muslime zu
Ehren ihres Heiligen namens Trotzky abschlachten werden ?«58 Der Weg zum realiter
kurz bevorstehenden »Jaffa-Pogrom« vom Mai 1921 ist geebnet.
Zwischen den Arabern und den Juden agiert in Weisls Roman gleichsam als
Schiedsrichter der britische Oberkommissär Herbert Louis Samuel (1870–1963), auf
dessen jüdische Identität mehrmals vorwurfsvoll hingewiesen wird, weil er – in den Au-
gen des Erzählers
– eher die arabischen als die jüdischen Interessen vertrete. Sir Samuel
befürwortet zwar die Modernisierung Palästinas und Jerusalems durch hochqualifiziert
ausgebildete jüdische Immigranten aus dem Westen – sehr zum Missfallen seines Ge-
sprächspartners Georges Farughi, der als Sprachrohr aller fortschrittsfeindlichen ara-
bischen »Eingeborenen« agiert, die lieber »unkultiviert« und »unzivilisiert« bleiben
wollten und »zufriedener wären«, wenn die zionistischen Pioniere sie »arm«, »aber frei
ließen« (AWI 219, kursiv : D.G.). »Wenn ich asphaltierte Straßen, gute Wasserleitung
und städtische Parkanlagen haben will«, so Farughi,
»fahre ich nach Paris oder« – mit einer knappen Verbeugung – »nach London. In Jerusalem
will ich den Geruch des Altertums haben. Die Schatten zweier Jahrtausende, dreier Jahrtau-
sende. Und nicht die Kopie Europas« (AWI 312).
Andererseits aber hatte Samuel, was gravierendere Folgen zeitigte, die arabischen Ver-
antwortlichen für das »Pessach-Pogrom« vom April 1920 begnadigt und sogar
– wie er-
wähnt (S. 32)
– im März 1921 den extremen Antisemiten Al-Husseini zum Großmufti
von Jerusalem ernannt, während Jabotinsky, der Organisator der jüdischen Selbstwehr,
zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden war.59 Das Fazit, das Weisl in einem
58 Siehe S.
321, Anm. 202.
59 Jabotinskys Begnadigung nach dreimonatiger Haft im britischen Militärgefängnis von Akko wird
im Roman allerdings verschwiegen.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355