Seite - 155 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Bild der Seite - 155 -
Text der Seite - 155 -
Der Anfang der Wandlung Israels 155
erwirbt. Nichts darf kampflos aufgegeben werden. Nichts ! In Blut und Feuer ging Juda
zugrunde, in Blut und Feuer wird Juda erstehen …«21
»In Blut – in Blut !«, höhnte ein Bursch mit riesigen Händen und Muskeln, die fast
die alte Khakihose zu sprengen drohten. Er war ein Arbeiter in einem Steinbruch bei
Jerusalem gewesen, ehe er auf Trumpeldors Ruf nach Galiläa gezogen war, um das Land
zu verteidigen : »Eine Schande für uns, dass wir mit den Waffen unsere Dörfer beschüt-
zen müssen. Eine Schande ! Hätten wir bessere Politiker in Jerusalem, hätten wir ver-
standen, gemeinsame Sache mit den Arabern gegen die europäischen Imperialisten und
Kapitalisten zu machen, dann wäre das hier nicht nötig. Eldad ist stolz darauf, dass er
hier Soldat spielen darf, und Trumpeldor auch. Ich tue mit, aber ich schäme mich ! Was
geht uns Metulla an, frage ich ?«
Er stand auf, blickte böse auf die Kolonistensöhne, die in einer Gruppe zusammen-
saßen, und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ich bin Anarchist ! Ich bin ein Feind
des Kapitalismus ! Warum stehe ich hier und verteidige eure Häuser, euer Dorf, das auf-
gebaut ist auf der Ausbeutung arabischer Arbeiter ? Euer Dorf, das eigentlich gar nicht
jüdisch ist ? Warum ?«
Wirres Durcheinander folgte. Die jungen Arbeiter, die das weltverlorene Gebirgs-
dorf an der äußersten Grenze Galiläas gegen fünfzigfache Übermacht hielten, vergaßen,
wo sie waren. Sie stritten darüber, ob Metulla gehalten werden müsse, obwohl es eine
kapitalistische Siedlung sei.22 Sie stritten über richtige Araberpolitik. Über das Verhält-
nis der neuen jüdischen Nation, die auf dem uralten Boden zwischen Wüste und Meer
siedeln wollte, zum neuen Orient. Über Pazifismus, Kommunismus, Weltfrieden.
Es war Anfang März 1920. Wenig mehr als ein Jahr war seit Kriegsende vergangen,
und die jüdischen Menschen waren mit dem Problem Krieg und Frieden seelisch noch
nicht fertig. Eldad hörte schweigend zu. Die Frage der »Zionistischen Kommission«
als Oberkommando war erledigt, war vergessen worden über anderen theoretischen
Problemen, die ihn kaum interessierten. Er nahm alle diese Fragen nicht ernst. Die
Juden brauchten Palästina, weil sie kein anderes Land bekommen konnten – und die
Araber wollten Palästina nicht gutwillig hergeben, was Eldad höchst begreiflich fand.
Also musste man ihnen zeigen, dass man sich vor ihnen nicht fürchtete, und deshalb
war man in Metulla, musste hier bleiben und hier kämpfen. Wozu darüber reden, da-
rüber streiten ? Das Leben ist doch so einfach, wenn man jung ist, wenn man gerade
Glieder hat und ein gerades Herz und wenn man ein schönes, modernes, englisches
21 Vgl. Joël 3,3 : »Und ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und
Feuer und Rauchdampf.« = Kampflosung der Revisionisten bzw. des Betar (siehe Sachregister), S.
347.
22 Metulla war 1896 von Edmond de Rothschild gekauft und den jüdischen Siedlern geschenkt wor-
den.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
zurück zum
Buch Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus"
Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355