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Der Anfang der Wandlung Israels 171
lassen ? Oder die Franzosen, die als Sieger vielleicht noch leichter den Zipfel Land da
am Jordan behalten werden, wenn die Judendörfer zerstört sind ? Oder die Araber, die
nicht offenen Kampf wagen, wie es Männern geziemt ? Was geht ihn, den Aristokraten
aus dem Hause Atrasch, eigentlich dieses Pack an ? Er hat versprochen, sie im Felde zu
führen, und er hat sein Wort eingelöst. Wenn sie aber nicht ernstlich kämpfen wollen –
schließlich ist es auch für ihn klüger, heimzureiten und friedlich zu Hause zu sitzen,
wenn die französischen Regimenter im Dschebel Drus einmarschieren.
Seine plötzlich aufgetretenen pazifistischen Neigungen kamen allerdings nicht zum
Vorschein, als er bald darauf wieder Kriegsrat mit den arabischen Führern hielt und
ihnen die Moral vom Ende des alten El H’san-Scheichs recht deutlich machte. »Er
wollte nicht angreifen, der Scheich, um euer Blut zu sparen«, rief der Druse mit echter
Begeisterung. So echt, dass er innerlich selbst darüber erstaunt war, wie anständig er das
Versprechen hielt, das er in Suriya gegeben hatte, als der Agent ihm das Handgeld aus-
zahlte. »Er wollte Blut sparen, wollte die Juden aushungern. Seht her, wie viel Blut uns
das kostet ! Der Effendi aus Damaskus ist zum Krüppel geschossen, der alte El H’san
ist tot, zwei eurer Führer tot, eure Pferde geraubt, verwundet, von Handgranaten zerris-
sen … Ihr habt Blut verloren, und die Ehre dazu. Seid mannhaft und greift an ! In einer
Stunde können wir mit den Juden fertig sein ! Nehmt Rache !«
Die Araber fügten sich. »Greifen wir an !«, beschlossen sie. Aber von »einer Stunde«
war keine Rede. Man musste erst die Krieger sammeln, die sich zerstreut hatten, weil
kein Kampf in Aussicht stand.
Es ist schwer, Beduinen auch nur eine Woche lang unter militärischer Disziplin bei
der Fahne zu halten, wenn nicht ununterbrochen gekämpft wird – und der Aufstand
dauerte schon mehr als zwei Monate. Von den tausend Mann, die unter Ibrahim Begs
Kommando vereinigt sein sollten, waren kaum dreihundert zur Stelle. Die anderen
führten Krieg auf eigene Faust, raubend und plündernd, oder sie besuchten Freunde in
anderen Heerhaufen, oder sie gingen zu ihren Frauen, die mit den Herden ein oder zwei
Tagmärsche weiter südlich lagerten.
So mussten erst Boten ausgesandt werden, um die auseinander gelaufenen Aufstän-
dischen zu sammeln, und andere Boten gingen ins Rebellenlager vor Kfar Giladi, um
mitzuteilen, dass am nächsten Mittag – wenn Allah es wollen wird – Ibrahim Beg den
Sturm auf Metulla beginnt. Kurze Zeit nach den Beduinen aber, die des Drusenführers
amtliche Aufträge weitertrugen, verließen drei drusische Krieger das Lager unter dem
Karubbaum. Sie brachten vertrauliche Weisungen an die Handvoll Drusen, die da und
dort in den Reihen der Araber kämpften : »Wenn unser Angriff morgen misslingt, reitet
nach Hause. Die Inglisi haben mit den Fransaui Frieden gemacht und ihnen Syrien ge-
lassen.«
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355