Seite - 172 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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172 C. Wolfgang von Weisl
In diese einfache Formel kleidete der alte Raubritter, der nur mit Mühe lesen und
schreiben konnte und dennoch von der Staatskunst mehr verstand als viele Diplomaten
in Paris und London, das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Lloyd George und
Clemenceau, ehe es noch auf der Konferenz von San Remo ein paar Wochen später ver-
öffentlicht wurde.40
Der alte Druse kannte nicht die Einzelheiten. Wusste nicht, dass seit Jahren ein er-
bitterter Kampf tobte zwischen den englischen Offizieren des Arab Bureaus und dem
Kolonialministerium auf der einen Seite, die Syrien als Teil eines riesigen anglo-ara-
bischen Staatenbunds und als Bollwerk gegen eine erneute Türkei sehen wollten, und
zwischen dem britischen Außenamt und Lloyd George andererseits, die ein starkes
Bündnis mit Frankreich gegen Sowjetrussland wünschten und deshalb zufrieden waren,
dass auch Frankreich eine Position im Vorderen Orient gegen die kommunistische und
asiatische Gefahr zu verteidigen habe. Und am allerwenigsten wusste der Druse, dass
die neue Grenze zwischen Syrien und Palästina deshalb Kfar Giladi, Tel Chai und Me-
tulla zu Palästina schlug und den Fransaui wegnahm, weil vor mehr als 3000 Jahren der
alte Judengott es so bestimmt hatte.
Als nämlich der »Tiger« Clemenceau mit Lloyd George über Syrien und Mossulpe-
troleum, Bagdadbahn und Palästina verhandelte, überall großzügig nachgebend, selbst
auf Mossul verzichtend, um nur britische Unterstützung für seine Rheinlandpolitik zu
bekommen41, fragte er den Engländer höflich : »… und welche Grenzen verlangen Sie
für Palästina ?« Der britische Premier war auf diese Frage nicht vorbereitet ; in seiner
Mappe fehlten zufällig die sorgfältig ausgearbeiteten Vorschläge seiner Experten für die
Grenzziehung des Heiligen Landes, aber Clemenceau wartete auf Antwort, und so er-
wachte in Lloyd George der alte, fromme, bibelgläubige Welsh-Mann.42 Palästina
– das
war das Land der Juden, das Land der Bibel, nicht wahr ? Und Gott selbst hat in der
Bibel die ewige Grenze des Landes festgesetzt : »vom Dan bis Beer Sheva«, verlangte
deshalb Lloyd George, auf die Autorität göttlicher Geopolitik gestützt.43
40 David Lloyd George und Georges Clemenceau hatten am 27. November 1919 in Paris Vorgesprä-
che über die Aufteilung der Völkerbundmandate im Nahen Osten zwischen England und Frank-
reich geführt, die dann zum Teil in San Remo (Anm. 38) festgelegt wurden.
41 Alliierte Rheinlandbesetzung nach dem Ersten Weltkrieg zum Schutz Frankreichs vor erneuten
deutschen Angriffen.
42 Lloyd George : als Abgeordneter des walisischen Wahlkreises Caernarfon seit 1890 auf Lebenszeit
Mitglied des britischen Unterhauses.
43 Eretz Israel im britischen Mandatsgebiet gemäß der biblischen Überlieferung zwischen dem Jor-
danquellfluss Dan an der israelisch-libanesisch-syrischen Grenze im Norden bis in den Süden nach
Be’er Scheva an der Wüste Negev.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355