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Der Anfang der Wandlung Israels 179
II. Teil: Die hochgebaute Stadt
1
W ir verlangen die Auflösung der Jüdischen Legion !51 Wir verlangen die
Demobi-lisierung
! Wenn das jüdische Volk nur mit der Waffe in der Hand Palästina er-
obern könnte, würde es lieber darauf verzichten. Wir sind als Sozialisten in jedem Land
und bei jedem Volk gegen Militarismus – wir sind auch gegen den jüdischen Militaris-
mus, in welcher Form immer er auftritt.«52
Zufrieden las der zwerghafte, magere Kazprin aus dem hebräischen Wochenblatt der
palästinensischen Arbeiterpartei »Hapoel Hazair« vor und freute sich über die eiserne
Logik seines Artikels.
»Wir sind gegen jeden Militarismus«, wiederholte er laut auf Russisch, seiner gelieb-
ten Muttersprache, die bei ihm wie bei den meisten seiner Landsleute im vertraulichen
Gespräch über das mehr feierlich-offizielle Hebräisch siegte. Er warf die Zeitung auf
den mit Asche- und Zigarettenresten bedeckten Schreibtisch seines schäbigen Büro-
zimmers und stand auf. »Wir sind gegen Jabotinsky, wie wir gegen Trumpeldor waren
und gegen seinen Irrsinn, in Tel Chai und Metulla Krieg führen zu wollen. Die Welt hat
genug vom Krieg ; Palästina wird mit anderen Mitteln aufgebaut werden.«
Er strich seine angegrauten, krausen Locken aus der schmalen, von Runzeln, die ka-
men und gingen, gefurchten Stirne. Sein kluges, feines Gesicht bewegte sich unaufhör-
lich. Es war, als ob die Fülle der Gedanken hinter der Stirne des kleinen Mannes die
Haut seines Schädels wie von elektrischen Strömen vibrieren ließe. Sein harter, glatt-
rasierter Mund war stets halb offen, als sei er bereit, einen bösartigen Witz gegen den
Gegner zu schnellen, während die dünnen Finger nicht ohne Zigarette oder Bleifeder
zu denken waren.
Ihm gegenüber saß der Advokat Steinberg, eine Zigarette in der Hand, die Teetasse
vor sich, und sah den schwächlichen, fast krüppelhaften Kazprin an, der gegen den jü-
dischen Militarismus wetterte. Steinberg war nach Jerusalem gekommen, um für Eldad,
den er in Metulla lieb gewonnen hatte und der seit einigen Wochen bei ihm in Jaffa
wohnte, Arbeit zu finden. Andere Arbeit, als die für Eldad nach der Befreiung Metullas
51 Jüdische Legion : siehe Sachregister, S.
349.
52 Vgl. WvWs Kritik an Sprinzak mit demselben Zitat aus dem Parteiorgan des »HaPoel HaZair«
in Der Kampf um das Heilige Land. Palästina von heute (Berlin : Ullstein 1925), S. 29 : »›Wenn wir
Juden Palästina nur mit Gewalt erlangen könnten, dann müssen und werden wir darauf verzichten.‹
Und Sprinzak, ein Arbeiterführer, formulierte diese aus dem Geist Tolstois geborene Anschauung
noch schärfer : ›Wenn wir uns nur durch Waffenkampf am Leben erhalten könnten, wäre es besser,
wir gingen freiwillig zugrunde.‹«
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355