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Der Anfang der Wandlung Israels 185
Staub da fertig werden können ? Bäume müssten her ! Bäume, viele Bäume und Schat-
ten
…«
Wie jeder der neuen Einwanderer schwärmte er leidenschaftlich für Bäume. Die
starre, majestätische Felsenöde des jüdischen Gebirges, die den frommen Wallfahrer er-
hob und begeisterte, bedrückte Eldad, der in Palästina nicht ein Heiliges Land, sondern
ein schöneres, behaglicheres Europa suchte. Er träumte davon, was hier geändert, ver-
bessert werden könne. Er sah viele, viele Bäume, viel, viel schattiges Grün … und wusste
nicht, dass auch diese Wunschträume lebend gewordenes Urerbe waren, Erinnerungen
aus der Zeit der Ahnen, denen geheißen war, zuerst »einen Garten zu pflanzen« und erst
dann ein Weib heimzuführen. Eldad sah nichts von der märchenfernen Silber-Schön-
heit der Steinlandschaft, die weiß in weiß malte. Er hatte nur Augen für die Verwüs-
tung rings um sich. Er sah überdeutlich das Kalksteinpulver unter seinen Füßen, den
Schmutz der Krambuden am Weg, er sah jeden einzelnen der von irgend einem Haus-
bau her liegengebliebenen Steine am Straßenrand, er sah die sonnenglühenden kahlen
Felsen
– und er freute sich darüber.
Dass die arabischen Herren der Heiligen Stadt so wenig getan hatten, um sie schön
und bewohnbar zu machen, schien ihm erst das sittliche Recht zu geben, diesen Boden
zu verlangen, den die anderen wüst und öde gelassen hatten. Es ist gut, bauen zu kön-
nen
– es ist gut ! Zwar soll es Leute geben, erzählt man, die lieber in fertige Häuser ein-
ziehen, statt selbst deren Steine zu wählen, den Kalk zu löschen und den Grundriss für
ihr Heim zu ziehen. Es soll solche Leute geben. Aber ich kann es nicht glauben. Es ist
doch so schön, vom Anfang beginnen zu können, alles selbst zu schaffen, den Grund-
stein zu neuem Werden zu legen. Wer könnte freiwillig auf dieses Glück verzichten,
Pionier zu sein ?
Und deshalb freute sich Eldad über Jerusalem, über die staubwirbelnden Straßen,
über die schmierigen Kutscher in ihren zerrissenen Khakijacken, über alles, was wider-
lich und ärmlich war. Es ist schön, Pionier zu sein …
* * *
Vor dem Davidsturm59 neben dem Jaffator blieb er stehen. Sah aufmerksam zu den
riesigen Felsquadern auf, aus denen der letzte Rest der Festung getürmt war, die vor
neunzehn Jahrhunderten jüdische Könige gebaut hatten. Felsblöcke wuchteten in re-
gelmäßigen Reihen, sauber behauen ; jeder einzelne so lang und so hoch, dass Schu’al
nicht glaubte, dass heute Arbeiter oder Maschinen solche Quadern zum Berge Zions
59 Davidsturm : Minarett, das 1665 der im 16. Jahrhundert (unter Suleiman/Soliman, »dem Präch-
tigen«, ca. 1495–1566) erbauten Davidszitadelle, einer Festungsanlage in der Altstadt Jerusalems
neben dem Jaffator, aufgesetzt wurde.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355