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Der Anfang der Wandlung Israels 195
lungen. »Wo haben Sie hebräische Schreibmaschine gelernt ? Bei Ihren Kosaken oder in
Metulla ?«, schoss er einen neuen Pfeil ab. Eldad sollte sehen, dass sein Offiziersportepée
hier keinen Eindruck machte.
Der Hohn ging an Eldads Verständnislosigkeit verloren. Er hielt die Ironie für wirk-
liches Interesse und erzählte, wie Advokat Steinberg ihn als Gast nach Jaffa genommen
habe, wie er in dessen Büro hebräische Schreibmaschine übte, russische Maschine hatte
er in der Tat seinerzeit als Bataillonsadjutant …
Kazprin unterbrach ihn. Er zĂĽndete eine neue Zigarette an und versuchte eine an-
dere Methode. »Ihre Amtsstunden sind bequem, Herr Schu’al«, sagte er väterlich. »Jetzt
im Sommer wird durchgearbeitet, von 8 bis 2. Gewöhnlich habe ich am Abend noch
Arbeiten zu erledigen, da mĂĽssen Sie die Akten in meine Wohnung bringen. Ich werde
Ihnen dort öfters diktieren. Dafür bekommen Sie besonders bezahlt. Ihr Gehalt ist …«
Er zögerte etwas. Er musterte nochmals den jungen Mann von Kopf bis Fuß, un-
zufrieden, weil der so ohne Neugierde zuhörte, als sei er über Geldfragen erhaben, und
reduzierte daraufhin die Summe, die eigentlich dem Sekretär eines Abteilungsleiters ge-
bührt hätte. Ein wenig unbequem wollte er ihm seinen Dienst machen, bis er schmieg-
samer wĂĽrde.
»Ihr Gehalt ist 18 Pfund monatlich …«
Andere Sekretäre bekamen 25, 30 und mehr Pfund. Zwanzig Pfund zahlte die Zio-
nistische Kommission schon einer besseren Stenotypistin, wenn sie zwei Sprachen be-
herrschte. Kazprin war überzeugt, dass ein Sekretär nicht zu ihm kam, ohne sich über
die üblichen Gehälter unterrichtet zu haben, und erwartete daher einen schüchternen
Einspruch.
Der Protest kam auch. »Achtzehn Pfund ist viel zu viel«, sagte Schu’al ruhig ; »ich bin
ledig, und ich will als Beamter nicht besser leben, als ich als Arbeiter gelebt hätte. Zehn
Pfund sind für mich genug und übergenug.«
Eldad nannte dabei mit schlechtem Gewissen schon zwei Pfund mehr, als er eigent-
lich nötig glaubte. Aber – wenn es halbwegs möglich wäre, dann wollte er später doch
ein anständiges Zimmer fĂĽr sich ganz allein haben, in einem netten HausÂ
– und Harzwi
hatte ihn vor dem teuren Mietzins Jerusalems gewarnt.
Kazprin war unangenehm berĂĽhrt. Er fĂĽhlte dumpf, dass er eigentlich etwas derar-
tiges von Schu’al gewärtigt hätte, als er so lange den Bitten Steinbergs widerstand, den
verdammten Helden von Metulla ins BĂĽro zu nehmen. Diese deklassierten Bourgeois
aus ehemals reichen Familien spielen sich proletarischer auf, wenn sie einmal Idealisten
werden, als die wahren, echten Proletarier der Arbeiter-Gewerkschaften, schimpfte er
im Stillen, während er freundschaftlich abwehrt. »Unsinn, Unsinn ! Jerusalem ist wahn-
sinnig teuer. Die teuerste Stadt der Welt. Für zehn Pfund monatlich können Sie kaum
Wohnung, Wäsche und Essen bezahlen, und Sie als zionistischer Beamter brauchen
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Buch Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus"
Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- AbkĂĽrzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- EinbĂĽrgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355