Seite - 233 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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Der Anfang der Wandlung Israels 233
sagen : »Ich habe dich lieb, ich will dich heiraten !« Was überlegte sie denn ? War er ihr
zu gering ?
Ohne ein Wort zu wechseln, waren sie in der Jaffastraße angekommen und blieben
vor dem Gebäude des Gesundheitsdepartments stehen. Ihre Hand in der seinen, sah
Eldad sie an, die kühl und weiß wie ein Traumbild vor ihm stand. Angst quoll in seiner
Seele auf, Angst, sie könne ihn vielleicht nicht genug lieben.
»Deine Antwort, Hanna ?«, mahnte er. »Deine Antwort ?«
Hanna schlug ihre Augen nieder, drückte leicht seine Hand. »Morgen
– heute Abend
werde ich sie dir sagen. Auf Wiedersehen.« Sie schlüpfte in das Haus ; der dunkle
Schatten des Tores verschlang sie, während Eldad sich seufzend umdrehte und ver-
stimmt die Jaffastraße zum Gebäude der Zionistischen Kommission hinab schlenderte.
* * *
Am Abend aber gab es kein Wiedersehen.
Eldad fand im Büro ein Telegramm Steinbergs, das ihn sofort nach Jaffa rief … Ei-
nen Augenblick schwankte Eldad. Kazprin war verreist, das Amt verlangte seine Anwe-
senheit, und Hanna würde ihm heute ihre Antwort geben, die sein Schicksal bestimmen
sollte …
Noch einmal las er das Telegramm Steinbergs : »Erwarten dich spätestens mittags,
eile.« Ärgerlich zerriss er das Papier in kleine Stücke und verbrannte sie an einem
Zündhölzchen. »Übermorgen ist Sabbat – da hätten die Burschen auch noch Zeit ge-
habt«, schimpfte er vor sich hin. »Ich sage Steinberg ausdrücklich, nächsten Sabbat. Ich
fahre nicht.« Aber dann überlegte er ; es galt, den Freunden in Jaffa ein Beispiel von
Pünktlichkeit zu geben. Wenn einmal er an Steinberg telegraphieren würde, müsste
Steinberg auch sofort gehorchen – es ist das Geringste, dass er den Kameraden den-
selben Eifer zeigt, den er von ihnen verlangen wird.
So ging denn Eldad ans Telefon und rief Hanna im Gesundheitsamt an, das erste
Mal, dass er die Disziplin des Büros durch einen privaten Telefonanruf störte. Hanna
kam halb erschrocken an den Apparat. Sie erwartete zitternd einen Ausbruch von Un-
geduld, von Unruhe ; sie wollte sein Verlangen fühlen, rascher ihre Entscheidung, früher
das »Ja« zu hören, das sie auf den Lippen hatte. »Du bist es, Eldad ?«, fragte sie mit
mühsamer Kühle, »ist etwas geschehen ?«
Eldad rief nur ungern vom Büro aus Hanna an. In der Telefonzentrale des Zionisti-
schen Büros saß eine Telefonistin, die sich allzu sehr für ihn interessierte und die jedes
seiner Gespräche abhorchte.
»Ja, es ist etwas Ärgerliches geschehen«, antwortete Eldad, förmlich und steif aus
Rücksicht auf die mithorchende Telefonistin, was wieder Hanna nicht wusste. »Ich
muss sofort nach Jaffa verreisen. Ich kann heute Mittag nicht hier sein.« – »Das ist ja
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355