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236 C. Wolfgang von Weisl
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In Jaffa patrouillierte Steinberg ungeduldig mit zwei Kameraden vor der Autogarage,
an der Eldads Wagen halten musste. Endlich kam, kotbespritzt, das vollbepackte
Fahrzeug über das holprige Straßenpflaster der Hauptstraße angerattert und hielt vor
der schmierigen Bude an. Mühsam stieg Eldad aus, die steif gewordenen Glieder re-
ckend – zwischen seinen Knieen hatte er nämlich zwei Koffer und eine Ölkanne ver-
staut halten müssen.
Steinberg schüttelte ihm herzlich die Hand : »Fein von dir, dass du gleich gekommen
bist. Entschuldige, wenn ich dir Ungelegenheiten verursacht habe, aber es ist wichtig.«
Gleichmütig sah ihn Eldad an ; er witterte etwas Außerordentliches in der Luft, und
der Instinkt des geborenen Befehlshabers lehrte ihn, diese Erwartung zu verhehlen.
»So ?«, fragte er ruhig, »ich dachte, du brauchst mich für neue Kameraden, die du ge-
funden hast.«
Steinberg lächelte stolz, zeigte auf die zwei Männer, die abseits warteten. »Auch
das. Wir haben Verstärkung bekommen. Die beiden Genossen da
– Doktor Hartmann
und Doktor Färber«, sagte er mit angedeuteter Vorstellung, und Schu’al schüttelte ihre
Hände – Die beiden kommen aus Böhmen, sind im Weltkrieg Artillerie-Offiziere ge-
wesen. Wenn es dir recht ist, schicke ich sie in die Kolonien in Samaria. Dort brauchen
wir sie am dringendsten, um die Selbstwehr zu organisieren. K. u. k. Artillerie-Offi-
ziere117, denke dir, was das für einen Eindruck auf die Kolonisten des Barons Edmond
de Rothschild machen wird !« Er lachte gutmütig und herzlich. Wurde wieder ernst.
»Aber darüber wollen wir später reden. Telegraphiert habe ich wegen etwas Anderem !
Komm, wir machen einen Besuch, und die beiden Herren Doktoren gehen mit uns. Es
ist besser, wenn wir nicht allein sind. Hast du übrigens schon je einen Deutschen ge-
sehen, der nicht Doktor war ? Komische Leute, die Jeckes.«118
Langsam, im müßiggängerischen Schritt, führte Steinberg die drei Männer über den
Marktplatz Jaffas mit seinem scheußlichen Uhrturm. Sie schlenderten an den warten-
den Zweispännern mit den müden, knochigen Droschkenpferden vorbei, ins Hafen-
viertel Jaffas.
Eine fremde, unheimliche Welt verschlang die vier Europäer in diesen engen Gas-
sen und Gässchen. Schreiend bunte Kopftücher und Pferdesättel mit farbigen Quas-
117 Autobiographische Anspielung auf WvW, der als Artillerieoffizier im Ersten Weltkrieg an der ga-
lizischen und italienischen Front gedient und 1924 die Ausbildung der Hagana (vgl. Anm. 104)
übernommen hatte.
118 Jeckes : deutschsprachige Einwanderer in Palästina, die stets Jacken (Sakkos) trugen, oft abfällig
konnotiert ; abermalige, diesmal ironische Selbstanspielung auf den promovierten Dr. med. WvW.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355