Seite - 241 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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Der Anfang der Wandlung Israels 241
Der Advokat zog eine Landkarte der Sinai-Halbinsel aus einer Mappe und brei-
tete sie aus. Im Nachbarzimmer warteten die Kameraden ruhig und verwandelten
eine Schachtel ägyptischer Zigaretten nach der anderen in Rauch. Eisige Regen-
schauer peitschten fast waagrecht gegen die Fensterscheiben des Anwaltszimmers, der
Nordwind stieg zum Orkan, erschütterte das ganze Haus, riss Ziegel vom Dach. Aber
Steinberg und Eldad, über die Karte von Akaba gebeugt, sahen und hörten nichts vom
Sturm, der den Winter brachte. Sie träumten von dem Schatz, der ihnen vor Augen
gaukelte : dreißig Maschinengewehre – dreißig Maschinengewehre für die jüdischen
Kolonien !
* * *
Fadhi Effendi und sein Freund aus Kairo wanderten nachher noch zu verschiedenen
anderen jüdischen Persönlichkeiten, um einer nach dem andern das gleiche Geheimnis
zu verkaufen, wie in Europa ein Schriftsteller verschiedenen Zeitungen hintereinan-
der denselben Artikel zum Nachdruck anbietet. Fast überall bekamen sie auch ein paar
Pfunde, achselzuckend
– »Wenn ein Araber sich als Freund der Juden ausgibt, darf man
ihn nicht enttäuschen«, dachten die Herren in den Ämtern, aber ernst nahm niemand
ihre Nachricht. Am allerwenigsten der Referent für arabische Politik in der Zionisti-
schen Kommission, Herr Krakauer, der schon vor 30 Jahren aus Lemberg nach Palästina
gekommen war und jeden Araber im Land persönlich kannte. Krakauer lehnte kühl
ab, während er Fadhi Effendi zwar zehn Pfund in die Hand drückte, aber ihm zugleich
sagte, das sei alles Unsinn. Farughi Pascha kenne er genau, er habe erst vor zwei Jah-
ren in Alexandrien mit ihm zusammen zu Mittag gegessen. Farughi Pascha werde sich
nicht zu so abenteuerlichen Sachen hergeben wie Waffenschmuggel … Übrigens werde
er, Herr Krakauer, die Regierung informieren, natürlich ohne zu sagen, woher er seine
Kenntnis habe.
Fadhi Effendi steckte das Geld ein, lächelte bewundernd : »Eine herrliche Idee,
eine wunderbare Idee, die Engländer, die Polizei zu informieren ! Natürlich ! Dass ich
nicht gleich darauf gekommen bin ! Allerdings – Akaba gehört nicht zu Palästina, son-
dern zum Hedschas119, Exzellenz, und der palästinensische Polizeileutnant, der an der
Grenze Dienst tut, ist ein Schwager des Garnisonskommandanten von Akaba. Aber
trotzdem wird es sehr gut sein, wenn die Behörden davon wissen. Deine Exzellenz hat
natürlich viel bessere Beziehungen als ich armer Teufel ! Du kannst bei der Regierung
alles durchsetzen, was du willst. Ich werde entzückt sein, wenn deine Exzellenz Erfolg
haben wird.«
119 Erst 1925 wurde Akaba vom Hedschas an Transjordanien abgetreten, das somit einen (den ein-
zigen) Meerhafen erhielt (vgl. LWV 62 passim).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355