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Der Anfang der Wandlung Israels 271
Taumel des einzigen Festes im jüdischen Jahr stürzen, der ihnen den Rausch kurzer
Freude vergönnt. Am Todestag Trumpeldors.
Und dann lachte plötzlich Eldad auf, schlug dem Kameraden mit der flachen Hand
auf den Rücken. »Recht hast du, tanzen wir ! Freuen wir uns heute – der Morgen wird
bitter genug sein.« Ihm war, als sei dies die richtige Art, des toten Führers zu gedenken.
Wofür war Trumpeldor denn gestorben, wenn nicht eben dafür, dass Juden wieder in
Palästina tanzen und lachen können, frei und unbeschwert ? Tanzen und lachen und lie-
ben, toll, verrückt, verrückt viel lieben ! Trumpeldors Lebensziel hatte er heute wirklich
genug geehrt durch seinen Strauß mit Kazprin – jetzt wollte Eldad zwei Tag lang jung
sein, ganz jung. Toll sein, tanzen. Ja, er freute sich auf Purim, freute sich, einen neuen
Menschen anziehen zu können, sein wahres Ich zu vergessen.
Er sagte es Harzwi, der freudestrahlend die Fastnachtskostüme ausbreitete und dabei
geheimnisvoll erzählte : »Höre Eldad – ein herrliches Mädchen wird mit uns reisen.
Eine Schönheit, eine wahre Schönheit. Blond ist sie und blauäugig, etwas Besonderes.
Sie kommt aus Prag, arbeitet mit uns in der Machzewah, im Steinbruch. Ganz tüchtig
für ein Mädchen, ganz tüchtig. Du nimmst Hanna, ich nehme die Neue ; ich habe schon
mit dem Chauffeur Hebroni geredet, er bringt uns nach Tel Aviv und zurück, wenn wir
ihm nur das Benzin bezahlen. So haben wir für uns zusammen ein Auto, ganz für uns
allein ! Wie die Grafen. Hebroni bringt vielleicht auch noch ein Mädchen mit. Es wird
fein werden !«
Lustig hockte sich Eldad neben ihm nieder, wühlte in den Maskenkleidern, bemüht,
aus Gürteln, Turbantüchern, Pantalons ein halbwegs passendes Sultanskostüm zu-
sammenzustellen. Bald stand er aber auf, ließ die Stoffe liegen. Die billige Schäbigkeit
der Tracht würde seine innere Sicherheit stören. »Wenn ich schon einen Sultan spielen
soll, dann muss es ein reicher Sultan sein und keiner, der sich von den Engländern die
Rechnung beim Flickschneider zahlen lässt«, lachte er ein wenig gekünstelt. Er wollte
Harzwi nicht wehtun, der ihn mit ehrlichem Kummer ansah. Harzwi hatte sich solche
Mühe gegeben, etwas Hübsches beim Trödler in Mea Schearim aufzutreiben, das Eldad
passen würde, und jetzt war es nichts damit.
Eldad versuchte, sich zu entschuldigen ; es war eine bourgeoise Einstellung seiner-
seits, gewiss unpassend für einen Pionier – aber arm und schäbig sind wir ja alle das
ganze Jahr hindurch. Einmal im Jahr, zu Purim, wollen wir wenigstens das sein, was wir
erträumen.
Eldad brach mitten im Wort ab und stockte. Ihm kam ein Gedanke, den er zu-
erst von sich wies, der ihn aber dann immer stärker und stärker lockte, bis er endlich
nachgab. Er bückte sich, zog einen Holzkoffer unter dem Bett hervor und begann
auszupacken. Von seinem Grunde hob er Lammfellmütze, schwarze Jacke und Reit-
hose, Silbergürtel und Reitersäbel heraus
– die Leutnantsuniform seines Kosakenregi-
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355