Seite - 288 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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288 C. Wolfgang von Weisl
gelegt, dessen Schläfenlocken im Winde flogen, sah Harzwi so glücklich aus, dass ihn
Hanna beneidete. Denn Eldad hatte aufs Tanzen vergessen ; sein Kamerad von Banias
war da – und er musste erst alles erfahren, was Danon im letzten Jahr erlebt hatte. Er
sah nicht Hebroni, der mit Lia am Arm die Treppe hinanlief, zu einem der Tanzsäle.
Sah nicht Harzwi, sah nicht Hanna. Lebte nur für seinen Kampfgefährten.
Erst nach ein paar Minuten fuhr er auf, erinnerte sich, dass Hanna wartend neben
ihm stand, dass er mit ihr zum Tanz gekommen war. Er entschuldigte sich herzlich bei
Danon : »Ich muss jetzt tanzen. Verzeihe mir, dass ich dich allein lasse. Warte in einer
Stunde hier auf mich ! Auch Harzwi ist da und vielleicht auch Steinberg, wir werden
uns dann zusammensetzen ! Wir müssen unser Wiedersehen feiern und den Jahrestag
unseres Spaziergangs zu Ibrahim Beg !«
Hanna erblasste. Diesen Danon bat er um Verzeihung, weil er ihn warten ließ – vor
ihr, seiner Braut, die er zum Ball geführt hatte und die jetzt neben ihm stand, als wäre
sie eine Fremde, entschuldigte er sich nicht. Mit gerunzelter Stirn und mit zusammen-
gepressten Nasenflügeln trat sie in den Kreis ein, tanzte Horah. Tanzte mechanisch,
während Eldad sich mit ganzer Seele dem wilden, kriegerischen Rhythmus dieses Bau-
erntanzes hingab, der besser Männern passt als Mädchen. Immer wilder, immer stärker
warf er die Beine hoch. Die Stiefelabsätze dröhnten auf den Steinfliesen des Hofes, die
Sporen klirrten silbern, der Säbel flog, während Eldad mit hallender Stimme die Kehr-
reime der Horah-Lieder ebenso begeistert wie falsch sang. Eldad war trotz seiner rus-
sischen Erziehung in hohem Grade unmusikalisch, und sein falsches Singen reizte die
verstimmten Nerven Hannas.
Horah-Tanzen ist eine anstrengende Angelegenheit ; nach zehn oder fünfzehn Mi-
nuten ist selbst ein widerstandsfähiger Horah-Tänzer ziemlich erschöpft und muss ras-
ten. Eldad aber kannte keine Müdigkeit. Sooft sich ein Mann, ein Mädchen aus dem
Reigen löste, um auszuruhen, lachte er schallend. Wie kann ein Jude müde werden beim
Tanzen ! Jetzt beginnt es doch erst richtig schön zu werden – jetzt fängt doch erst die
richtige Stimmung an !
Dass Hanna müde wurde, dass sie nur mehr langsam ihre Beine im Takt des Stampf-
tanzes schwang, merkte er nicht. Und als sie ihn bat, sie zu einem Sitz zu führen, ließ er
sie plötzlich los und sprang in die Mitte des Reigens. »Hej !«, jauchzte er. »Musik ! Spielt
rascher ! Rascher ! Feuriger !«
Und während die Musiker immer rascher die Trommeln dröhnen und die Hörner
schmettern ließen, tanzte Eldad allein einen Kosakentanz, wie er ihn in seiner Jugend
in Baku182 bei dem Diener seines Vaters gelernt hatte. Sein Säbel sauste in blitzendem
182 Baku : Hauptstadt Aserbaidschans, am Kaspischen Meer, mit einer bis heute aktiven jüdischen Ge-
meinde und drei erhaltenen Synagogen.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355