Seite - 294 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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294 C. Wolfgang von Weisl
so ? Wollte sie von ihm erfahren, was man darüber in Jerusalem sprach ? Er beschloss
vorsichtig zu sein : »Wenn ich die Wahrheit sagen soll
– ich weiß nichts Genaues darüber,
Geweret. Nur, was jeder weiß – Herr Schu’al wurde fristlos entlassen. Ich wiederhole,
Geweret, ich weiß nicht, ob es wahr ist, aber der Diener sagt, es sei großer Lärm ge-
wesen ; und die Leute seien auf den Gängen gestanden und hätten zugehört, wie Schu’al
den Herrn Kazprin beschimpft hat. Man ist über Herrn Schu’al in der Zionist Commis-
sion sehr aufgebracht«, ergänzte Doktor Gutkowski nach einer kleinen Pause. »Es war
nicht klug von ihm, gerade Adon Kazprin zu reizen, der ihn bisher protegiert hat.«
Hanna war ganz ruhig. »Ich bin furchtbar müde, Doktor Gutkowski, Sie haben
Recht, ich bin nicht in der richtigen Stimmung. Es war sehr lieb von Ihnen.« Sie reichte
ihm den Arm und ließ sich zurückführen zu dem Raum, wo Eldad mit den Kameraden
saß und Lieder sang.
Bei ihrem Eintritt schnellte Eldad auf und kam ihr entgegen. Er wollte jetzt gern mit
ihr tanzen, nachdem er mit Danon die Zusammenkunft besprochen hatte. Hanna war so
schön, und er war gut aufgelegt, weil Danon für die Selbstwehr in Jaffa arbeiten würde.
Danon kann endlich die spaniolischen Handwerker organisieren, zu denen sie bisher
keinen richtigen Zugang gefunden hatten … der Abend hatte seinen Zweck erfüllt.
Mit langen, federnden Schritten kam er Hanna entgegen und bot ihr den Arm :
»Willst du jetzt mit mir tanzen ?«
Hanna sah seine lachenden Augen unter der Lammfellmütze, die starken, weißen
Zähne unter dem kleinen, schwarzen Schnurrbärtchen und wurde unsicher : Konnte
dieser Mann sich so gut verstellen ? Freude heucheln, während er brotlos war ? Konnte
er so lügen, sie – seine Braut – so belügen, mit ihr tanzen, ohne ihr zu sagen, dass Ent-
scheidendstes geschehen war ?
»Ich möchte lieber nach Hause gehen«, antwortete sie leise, »ich möchte nach Hause
gehen. Ich habe genug vom Ball.«
Misstrauisch prüfend blickte Eldad auf Gutkowski ; war es möglich, dass dieser ge-
schniegelte Bursche Hanna gekränkt hatte ? Gutkowski versuchte, die Musterung El-
dads auszuhalten
– Hanna kam ihm zu Hilfe, streckte ihm herzlich die Hand entgegen :
»Vielen Dank, Doktor, und auf Wiedersehen im Büro !«
Etwas enttäuscht verabschiedete sich Eldad von den Kameraden. Steinberg sah auf
die Uhr : »Erst zwei Uhr früh ! Um zwei Uhr geht ihr doch noch nicht nach Hause ?«
Hanna nickte ihm zu : »Doch. Ich bin müde. Entschuldigt uns auch bei Fräulein
Antabi !«
Schweigend wanderte sie neben Eldad die paar Schritte zur Wohnung ihrer Kusine.
Eldad bestürmte sie mit Fragen nach der Ursache ihres Aufbruchs und ihrer Verstim-
mung. »Hat dir jemand etwas getan ? Hat dich jemand gekränkt ?«, fragte er mit einem
undeutlichen Gefühl, dass er sich an diesem Abend nicht so viel um seine Braut geküm-
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355