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320 C. Wolfgang von Weisl
Eukalyptuswälder hatten die Seuche etwas gelindert, aber die kriegführenden Armeen
hatten die Bäume umgehauen und aus den Stämmen Bahnschwellen angefertigt, so
dass das Sumpffieber erneut ausgebrochen war.
In Chedera hing alles davon ab, ob sich die jemenitischen Arbeiter, die knapp vor
dem Weltkrieg dort Boden und kleinwinzige Häuschen erhalten hatten, der Verteidi-
gung anschlossen. Eldad sprach mit dem »Chacham«, dem Lehrer und Rabbi der Je-
meniten, um ihm begreiflich zu machen, dass die fünfzig, sechzig Männer seiner Ge-
meinde nicht beiseite stehen dürfen, wenn die Stunde der Gefahr käme. Er rief den
Jemeniten, die seit Mohammed gewöhnt waren, als Sklaven der Araber betrachtet zu
werden, ihren Stolz so eindringlich in Erinnerung und ihre Herkunft von den freien,
jüdischen Königreichen im Süden Arabiens, bis es ihm gelang, dass Jemeniten und die
böhmischen Bürgersöhne aus Prag, Pilsen und Leitmeritz, die vom Wanderbund »Blau-
Weiß« nach Chefziba geschickt worden waren, ein gemeinsames Verteidigungskorps zu
bilden. Chedera war geschützt.
Kaum war seine Arbeit hier zu Ende, musste Eldad nach Petah Tikwa, der ältesten
und reichsten Kolonie Palästinas, drei Wegstunden von Jaffa entfernt. Hier mussten
die Bauern und Pflanzer dazu gebracht werden, ihre Söhne dem Befehl von Arbeitern
zu unterstellen, die Kriegserfahrung hatten. Mehr Kriegserfahrung zumindest als die
in Palästina geborenen Kolonisten, die sich in der Mehrzahl während des Kriegs vom
Militärdienst in der türkischen Armee losgekauft hatten. Die Malariaepidemie in Petah
Tikwa lag schon ein Dutzend Jahre zurück, und die Orangenpflanzungen begannen,
Gewinn abzuwerfen. Größerer Wohlstand geht bei Juden aber immer mit gesteiger-
tem politischem Optimismus einher. Und so schüttelten sich die Kolonisten vor La-
chen, als sie in tiefstem Vertrauen benachrichtigt wurden, die Araber – »ihre« Araber,
»ihre« Araber !
– bereiteten einen Angriff vor. Ihre Arbeiter, die sie seit vierzig Jahren so
gut kennen, die von den Einkünften in den jüdischen Dörfern rund um Petah Tikwa
reich geworden sind, die würden nie, nie daran denken, sie anzugreifen. Zwischen Petah
Tikwa und ihren Nachbarn würde immer nur Friede herrschen. Pogrom ? Lächerlich !
Vielleicht anderswo, bei den neuen zionistischen Siedlungen. Dort, wo die Juden nicht
arabisch sprechen und nicht wissen, wie man die Eingeborenen behandeln solle. Dort
könnte es Unruhen geben, aber in Petah-Tikwa nie und nimmer.
In Petah-Tikwa rekrutierte Eldad freiwillige Shomrim201, hielt Reden, organisierte
alles Notwendige und nahm auch Verbindung mit den Jemeniten auf, die abgeschieden
in einer eigenen Siedlung lebten. So bildete sich langsam, aber sicher der Kern der Ha-
gana heraus. Einer nach dem andern, holten die Bauern ihre Gewehre hervor, die sie seit
dem Ersten Weltkrieg sicher versteckt hatten. Sie stellten sich in Reih und Glied auf
201 Shomrim : Wächter.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355