Seite - 326 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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326 C. Wolfgang von Weisl
»Also gebt ihr zu, dass sie bei euch weilen«, fragte der Scheich schnell. Beilinson lädt
ihn ein : »Komm mit uns und sieh mit eigenen Augen«, doch der Scheich schüttelt den
Kopf und schaut Beilinson unter dunklen Lidern mit glühenden Augen an. »Innerhalb
einer Stunde müssen sich die arabischen Arbeiter aus dem Dorf hier einfinden, sonst
werden wir sie mit Gewalt aus euren Händen befreien.«
Eldad und Beilinson kehrten aufgeregt ins Dorf zurück. Egal, was die Juden tun wer-
den
– der Angriff wird stattfinden. Wenn sie die Arbeiter den Beduinen nicht ausliefern,
dann ist das für sie die beste Ausrede, um anzugreifen. Später werden sie behaupten,
dass sie das Leben der arabischen Arbeiter schützen wollten. Wenn man sie ziehen
lässt, dann bekommen die Beduinen ausgezeichnete Wegweiser. Zweitens können die
Araber den Juden wirklich als Geiseln dienen. Eldad rät den Siedlern, die Araber nicht
abziehen zu lassen.
Inzwischen wurde weiter verhandelt. Am Ende schickten die Bauern aus Petah-
Tikwa ihre Boten zu den Beduinen, die ihr Dorf belagerten. Telefon und Telegraf sind
ausgefallen. Seit Hebroni bei ihnen vorbeigekommen war, gab es keine weiteren Nach-
richten aus Jaffa.
Die Nacht verlief ruhig. Aus dem Eukalyptus-Wäldchen südlich des Dorfes scheinen
Lichter. Dort halten sich die Beduinen auf. Ab und zu erschallt ein einzelner Schuss,
aber niemand wird getroffen. In Petah-Tikwa sind alle hellwach.
Am Morgen danach beginnt der Angriff. Die Araber haben keine Ahnung, dass sich
in Jaffa die Unruhen gelegt haben, dass in Jerusalem Ruhe herrscht und dass sie für
eine von vornherein verlorene Sache kämpfen. Sie erhielten eine Anweisung von ihren
Kommandanten : »Blutrache für eure ermordeten Brüder ! Angriff !« Und sie greifen an.
Beilinson sucht das Feld mit einem Feldstecher ab, vier- bis fünftausend Araber
schätzt er. Eldad stimmt ihm nicht zu. Er meint, es seien wohl nur die Hälfte oder gar
nur ein Drittel : »Herr Beilinson, verstreute Kräfte machen immer den Eindruck, als
seien sie mehr. Schaue er doch in die Richtung …«
Die Schüsse mehren sich. Man hört Schreie und freudige Rufe der Araber. Ein Dut-
zend Häuser, die außerhalb des Dorfes liegen, sind nach der Flucht der Juden verlassen
und werden widerstandslos von den Arabern erobert und in Brand gesetzt. Der Rauch
steigt in schwarzen Wolken empor, dazwischen lodern kleine Flammen.
Aber von der südöstlichen Flanke kommt ein gefährlicher Angriff von Reitern, de-
nen in dichten Menschentrauben bewaffnete arabische Bauern folgen, den Obstplan-
tagen entlang, in Richtung Petah-Tikwa. Die dichtgedrängte Menge hält an der von
Eldad errichteten Dornenhecke an. »Feuer !«, schreit er, und die Arbeiter, die Jemeniten
und die Bauern schießen hastig, ohne zu zielen, in die Menschenmenge. Schüsse er-
tönen zwischen den Obst- und Eukalyptusbäumen und aus dem Dickicht der Akazien.
Reiter stürzen von ihren Pferden, die arabischen Bauern fallen wehklagend auf ihre
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355