Seite - 328 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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328 C. Wolfgang von Weisl
Aber schon taucht ein zweiter Beduine vor ihm auf und schießt und triff aus kurzer
Entfernung. Der alte Mann schwankt in seinem Sattel und stürzt vom Pferd. Eldad ist
zur Stelle, dicht hinter ihm die Siedler. Man hört Schüsse und Schreie. Staubwolken
fliegen auf und umhüllen Pferd und Reiter und verdecken auch die sich nähernden
Kämpfer der Hagana, die unter den Bäumen auftauchen und die Bauern zurückdrängen.
Nachdem sich der Staub gelegt hat, sieht man ein leeres Feld. Die Araber sind verjagt,
etwa zwanzig Tote bleiben auf dem Schlachtfeld zurück. Eldad kniet neben Beilinson
nieder und untersucht mit zitternden Händen dessen offene Wunde. »Verflucht, ein
Schuss in die Lunge !« Und sie sind zwei km vom Dorf entfernt. Einer der Reiter galop-
piert schnell zurück. Die Ärzte müssen sofort mit dem Wagen kommen. Der Alte muss
gerettet werden.
Inzwischen versucht der Schwerverletzte zu reden. Er kann kaum flüstern, aber wäh-
rend sich seine Stimme aus seiner breiten Brust herausquält, leuchten seine Augen :
»Und doch waren Sie, Herr Offizier, nicht der Erste beim Angriff ! Wir Bauern verste-
hen uns auch im Reiten. Wir jüdischen Bauern.« Er lachte und hustete. Ein Blutstrahl
entströmt seinen Lippen.
Tränen entfließen Eldads Augen : »Rebbe Beilinson, sprich kein Wort ! Die Ärzte
sind gleich da.« Der Alte hebt seine linke Hand und lässt sie auf den Boden sinken.
»Ärzte, ich brauche keine Ärzte. Wir haben hier ohne jede militärische Hilfe die Ara-
ber überwältigt ! Nicht, wie damals in Metulla !« Warmes, dunkles Blut quillt aus sei-
ner Kehle, helle Tropfen bleiben an seinem Bart hängen : »Kein Arzt kann mir helfen«,
ächzt der Verwundete mit gequältem Lachen. »Es ist schon gut so. Schon als Kind
wünschte ich mir, eines Tages nicht im Bett sterben zu müssen. Schon damals. Und was
sich ein Mensch in jungen Jahren wünscht, das erreicht er im hohen Alter.«
Er hustet von neuem, blutiger Schaum entströmt seinen Lungen und durchtränkt
den Verband, den Eldad ihm angelegt hat. Plötzlich erbleicht der Alte, seine Lippen
färben sich weiß. Er sieht, wie das Blut sich auf seiner Brust ausbreitet, aber wieder
leuchten seine Augen. »Komm näher, junger Mann«, befiehlt er, »hör zu, ich muss jetzt
meine Sünden beichten !«
Erschüttert neigt Eldad sein Ohr dem Mund des Sterbenden zu, der sein Geständnis
abzulegen beginnt : »Ich habe in meiner Jugend gefrevelt. Habe die furchtbarste Sünde
begangen, die ein Jude begehen kann. Ich habe gefrevelt. Ich habe«
– er hebt die Rechte
und schlägt schwach gegen die Brust, die unter dem blutdurchtränkten Scharlach des
Verbands auf und nieder geht. »Ich habe die Ehe gebrochen, bin eingedrungen in die
heilige Ehe eines anderen, habe das Band zerrissen, das der Heilige, gepriesen sei ER, in
Gestalt der Ehe mit der ganzen Gemeinde Israels geschlossen hat.« Er sieht die fragend
verständnislosen Augen Eldads auf sich ruhen und gesteht : »Höre Eldad. Unsere Wei-
sen haben gelehrt : Für alles gibt es Buße, für alles Wiedergutmachung, nur nicht für die
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355