Seite - 332 - in Wolfgang von Weisl - Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
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332 C. Wolfgang von Weisl
Einen Augenblick lang schwankt Eldad. Hanna
– er kann wieder zurück … Sein Le-
ben ist nicht unwiderruflich entschieden. Alles kann noch gut werden : Die Einwande-
rung ist gestoppt, vorläufig. Es ist keine Schande, wenn er nachgibt. Kazprin ist zu ihm
gekommen, nicht er zu Kazprin. Aber dann sieht er sich wieder Tag um Tag ins Büro
gehen, sieht sich mit Beamten sprechen, mit Kazprin, mit Vorgesetzten. Sieht Kazprin
an, der ihm mit gelben Zähnen zulächelt, und schüttelt den Kopf.
Durch die offene Tür des Versammlungszimmers, in das langsam die Männer des
Vaad, des Gemeinderats, hereinkommen, um Kazprin zu begrüßen, blickt Eldad in das
helle Grün der Eukalyptusbäume und in das dunklere, dichte Laub von Orangen und
Zitronen. Grün, so weit sein Auge reicht. Er spürt, wie der Geruch der Erde, die von der
gleißenden Junihitze verbrannt ist, in seiner Nase emporsteigt. Er spürt, wie der Geruch
sich von den mit weißem Staub bedeckten Stiefeln der Bauern löst. An der Seite dieser
Menschen kämpfte er, zusammen mit ihnen, damit dieser Boden in jüdischen Händen
bleibt. Er spürt, dass hier das Leben pocht, hier und nicht in den Büros in Jerusalem. Er
gehört hierher. Steinberg hat Recht.
Kazprin wird inzwischen ungeduldig. Er fühlt sich mit Recht stolz auf sein Angebot.
Er will damit seine ehrlich gemeinte Großzügigkeit beweisen, dass er diesem jungen
Frechling verzeiht, dass er ihm eine neue Chance gibt, eine zionistische Stelle anzu-
treten und so eine erfolgversprechende Karriere einzuschlagen. Im Büro des Keren-
Kayemet wird sich ihm keine Möglichkeit mehr bieten, die Arbeiter aufzuwiegeln. Aber
dieser Mensch antwortet ihm nicht einmal. Er schaut ins Grüne, als ob er, Kazprin, gar
nicht anwesend sei. Auch wenn Eldad zehnmal mehr für den Schutz des Dorfes getan
hätte, so kann er, Kazprin, es nicht zulassen, dass Eldad sich ihm gegenüber so respekt-
los verhält.
»Also, was sagst du dazu ?«, fragt er Eldad mit aller Schärfe. Dessen Gedanken wei-
len bei Hanna. Wäre sie doch bereit gewesen, mit ihm, hier oder in einem der anderen
jüdischen Siedlungen zu leben, es hätte so schön sein können … Er erwacht aus seiner
Grübelei und wirft einen traurigen Blick auf Kazprin. »Nein, ich kehre nicht in die
Stadt und ins Büro zurück. Aber in einer Hinsicht hast du Recht, es ist sinnlos, heute
über die Pläne der jüdischen Kolonisation zu streiten. Erstmal muss sich die Politik dort
in London ändern. Hier muss man abwarten, und bis dahin bleibe ich als Shomer hier,
wo ich mich heute befinde.«
Kazprin lacht belustigt : »Wie du möchtest. Aber wenn du ein Shomer sein willst,
dann kann ich dir was Schöneres besorgen. Der Keren-Kayemet hat jetzt ein großes
Stück Land angekauft, fast 20 Quadratkilometer. Auf Ein-Harod, zu Füßen des Gil-
boa, nahe an der Grenze zu Transjordanien, wo man Unruhen der Beduinenstämme
befürchtet, die in unser Land eindringen könnten. Dort, wo eine Straße von Damaskus
nach Haifa führt, könntest du als Shomer die jungen Siedler ausbilden. Dein Kamerad
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Wolfgang von Weisl
Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
Erlöser - Der Anfang der Wandlung Israels
- Titel
- Wolfgang von Weisl
- Untertitel
- Schauspiel und Roman im Zeichen des modernen politischen Zionismus
- Herausgeber
- Dietmar Goltschnigg
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21056-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 362
- Kategorie
- Biographien
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 7
- Abkürzungen und Zitierweise 11
- A. Kontexte, Aspekte, Kommentare 13
- Erlöser 13
- Einbürgerung Wolfgang von Weisls in British Palestine 22
- Arnold Zweig: De Vriendt kehrt heim … 23
- Der Anfang der Wandlung Israels 28
- B. Wolfgang von Weisl 51
- Erlöser. Ein ernstes Spiel von letzten Dingen 51
- C. Wolfgang von Weisl 143
- Der Anfang der Wandlung Israels. Roman 143
- D. Anhang 335
- 1. Zeittafel 335
- 2. Biographische Daten 341
- 3. Sachen, Begriffe, Orte, Glossar 346
- 4. Bibliographie 353
- 5. Personenregister 355