Seite - 176 - in Also sprach Zarathustra
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Oder sie lernen fromm-froh die Harfe schlagen bei einem Lieder-Dichter,
der sich gern jungen Weibchen in’s Herz harfnen möchte: – denn er wurde der
alten Weibchen mĂĽde und ihres Lobpreisens.
Oder sie lernen gruseln bei einem gelehrten Halb-Tollen, der in dunklen
Zimmern wartet, dass ihm die Geister kommen – und der Geist ganz
davonläuft!
Oder sie horchen einem alten umgetriebnen Schnurr- und Knurrpfeifer zu,
der trüben Winden die Trübsal der Töne ablernte; nun pfeift er nach dem
Winde und predigt in trüben Tönen Trübsal.
Und Einige von ihnen sind sogar Nachtwächter geworden: die verstehen
jetzt in Hörner zu blasen und Nachts umherzugehn und alte Sachen
aufzuwecken, die lange schon eingeschlafen sind.
Fünf Worte von alten Sachen hörte ich gestern Nachts an der Garten-
Mauer: die kamen von solchen alten betrübten trocknen Nachtwächtern.
»Für einen Vater sorgt er nicht genug um seine Kinder: Menschen-Väter
thun diess besser!« –
»Er ist zu alt! Er sorgt schon gar nicht mehr um seine Kinder« – also
antwortete der andere Nachtwächter.
»Hat er denn Kinder? Niemand kann’s beweisen, wenn er’s selber nicht
beweist! Ich wollte längst, er bewiese es einmal gründlich.«
»Beweisen? Als ob Der je Etwas bewiesen hätte! Beweisen fällt ihm
schwer; er hält grosse Stücke darauf, dass man ihm glaubt.«
»Ja! Ja! Der Glaube macht ihn selig, der Glaube an ihn. Das ist so die Art
alter Leute! So geht’s uns auch!« –
– Also sprachen zu einander die zwei alten Nachtwächter und
Lichtscheuchen, und tuteten darauf betrübt in ihre Hörner: so geschah’s
gestern Nachts an der Garten-Mauer.
Mir aber wand sich das Herz vor Lachen und wollte brechen und wusste
nicht, wohin? und sank in’s Zwerchfell.
Wahrlich, das wird noch mein Tod sein, dass ich vor Lachen ersticke, wenn
ich Esel betrunken sehe und Nachtwächter also an Gott zweifeln höre.
Ist es denn nicht lange vorbei auch fĂĽr alle solche Zweifel? Wer darf noch
solche alte eingeschlafne lichtscheue Sachen aufwecken!
Mit den alten Göttern gieng es ja lange schon zu Ende: – und wahrlich, ein
gutes fröhliches Götter-Ende hatten sie!
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Buch Also sprach Zarathustra"
Also sprach Zarathustra
- Titel
- Also sprach Zarathustra
- Autor
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 354
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den LehrstĂĽhlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glĂĽckseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berĂĽhmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom VorĂĽbergehen 170
- Von den AbtrĂĽnnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der groĂźen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- AuĂźer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die BegrĂĽĂźung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352