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An diesen Reimen Zarathustras weideten sich die Könige; der König zur
Rechten aber sprach: »O Zarathustra, wie gut taten wir, daß wir auszogen,
dich zu sehn!
Deine Feinde nämlich zeigten uns dein Bild in ihrem Spiegel: da blicktest
du mit der Fratze eines Teufels und hohnlachend: also daß wir uns vor dir
fürchteten.
Aber was half’s! Immer wieder stachst du uns in Ohr und Herz mit deinen
Sprüchen. Da sprachen wir endlich: was liegt daran, wie er aussieht!
Wir müssen ihn hören, ihn, der lehrt: ›ihr sollt den Frieden lieben als Mittel
zu neuen Kriegen, und den kurzen Frieden mehr als den langen!‹
Niemand sprach je so kriegerische Worte: ›Was ist gut? Tapfer sein ist gut.
Der gute Krieg ist’s, der jede Sache heiligt.‹
O Zarathustra, unserer Väter Blut rührte sich bei solchen Worten in unserm
Leibe: das war wie die Rede des Frühlings zu alten Weinfässern.
Wenn die Schwerter durcheinander liefen gleich rotgefleckten Schlangen,
da wurden unsre Väter dem Leben gut; alles Friedens Sonne dünkte sie flau
und lau, der lange Frieden aber machte Scham.
Wie sie seufzten, unsre Väter, wenn sie an der Wand blitzblanke
ausgedorrte Schwerter sahen! Denen gleich dürsteten sie nach Krieg. Ein
Schwert nämlich will Blut trinken und funkelt vor Begierde.« – –
– Als die Könige dergestalt mit Eifer von dem Glück ihrer Väter redeten
und schwätzten, überkam Zarathustra keine kleine Lust, ihres Eifers zu
spotten: denn ersichtlich waren es sehr friedfertige Könige, welche er vor sich
sah, solche mit alten und feinen Gesichtern. Aber er bezwang sich. »Wohlan!«
sprach er, »dorthin führt der Weg, da liegt die Höhle Zarathustras; und dieser
Tag soll einen langen Abend haben! Jetzt aber ruft mich eilig ein Notschrei
fort von Euch.
Es ehrt meine Höhle, wenn Könige in ihr sitzen und warten wollen: aber,
freilich, Ihr werdet lange warten müssen!
Je nun! Was tut’s! Wo lernt man heute besser warten als an Höfen? Und der
Könige ganze Tugend, die ihnen übrigblieb – heißt sie heute nicht: Warten-
können?«
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Buch Also sprach Zarathustra"
Also sprach Zarathustra
- Titel
- Also sprach Zarathustra
- Autor
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 354
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352