Seite - 274 - in Also sprach Zarathustra
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Du selber aber – warne dich selber auch vor deinem Mitleiden! Denn viele
sind zu dir unterwegs, viele Leidende, Zweifelnde, Verzweifelnde,
Ertrinkende, Frierende.
Ich warne dich auch vor mir. Du errietest mein bestes, schlimmstes Rätsel,
mich selber und was ich tat. Ich kenne die Axt, die dich fällt.
Aber er – mußte sterben: er sah mit Augen, welche alles sahn – er sah des
Menschen Tiefen und Gründe, alle seine verhehlte Schmach und Häßlichkeit.
Sein Mitleiden kannte keine Scham: er kroch in meine schmutzigsten
Winkel. Dieser Neugierigste, Über-Zudringliche, Über-Mitleidige mußte
sterben.
Er sah immer mich: an einem solchen Zeugen woll te ich Rache haben –
oder selber nicht leben.
Der Gott, der alles sah, auch den Menschen: dieser Gott mußte sterben! Der
Mensch erträgt es nicht, daß solch ein Zeuge lebt.« Also sprach der
häßlichste Mensch. Zarathustra aber erhob sich und schickte sich an
fortzugehn: denn ihn fröstelte bis in seine Eingeweide.
»Du Unaussprechlicher«, sagte er, »du warntest mich vor deinem Wege.
Zum Danke dafür lobe ich dir den meinen. Siehe, dort hinauf liegt die Höhle
Zarathustras.
Meine Höhle ist groß und tief und hat viele Winkel; da findet der
Versteckteste sein Versteck.
Und dicht bei ihr sind hundert Schlüpfe und Schliche für kriechendes,
flatterndes und springendes Getier.
Du Ausgestoßener, der du dich selber ausstießest, du willst nicht unter
Menschen und Menschen-Mitleid wohnen? Wohlan, so tu’s mir gleich! So
lernst du auch von mir; nur der Täter lernt.
Und rede zuerst und -nächst mit meinen Tieren! Das stolzeste Tier und das
klügste Tier – die möchten uns beiden wohl die rechten Ratgeber sein!« – –
Also sprach Zarathustra und ging seiner Wege, nachdenklicher und
langsamer noch als zuvor: denn er fragte sich vieles und wußte sich nicht
leicht zu antworten.
»Wie arm ist doch der Mensch!« dachte er in seinem Herzen, »wie häßlich,
wie röchelnd, wie voll verborgener Scham!
Man sagt mir, daß der Mensch sich selber liebe: ach, wie groß muß diese
Selber-Liebe sein! Wie viel Verachtung hat sie wider sich!
Auch dieser da liebte sich, wie er sich verachtete – ein großer Liebender ist
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Buch Also sprach Zarathustra"
Also sprach Zarathustra
- Titel
- Also sprach Zarathustra
- Autor
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 354
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352