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Vergebt mir doch, ihr Verzweifelnden, daß ich vor euch mit solch kleinen
Worten rede, unwürdig, wahrlich, solcher Gäste! Aber ihr erratet
nicht, was mein Herz mutwillig macht: –
– ihr selber tut es und euer Anblick, vergebt es mir! Jeder nämlich wird
mutig, der einem Verzweifelnden zuschaut. Einem Verzweifelnden
zuzusprechen – dazu dünkt sich jeder stark genug.
Mir selber gabt ihr diese Kraft – eine gute Gabe, meine hohen Gäste! Ein
rechtschaffnes Gastgeschenk! Wohlan, so zürnt nun nicht, daß ich euch auch
vom Meinigen anbiete.
Dies hier ist mein Reich und meine Herrschaft: was aber mein ist, für
diesen Abend und diese Nacht soll es euer sein. Meine Tiere sollen euch
dienen: meine Höhle sei eure Ruhestatt!
Bei mir zu Heim und Hause soll keiner verzweifeln, in meinem Reviere
schütze ich jeden vor seinen wilden Tieren. Und das ist das erste, was ich
euch anbiete: Sicherheit!
Das zweite aber ist: mein kleiner Finger. Und habt ihr den erst, so nehmt
nur noch die ganze Hand, wohlan! und das Herz dazu! Willkommen hier,
willkommen, meine Gastfreunde!«
Also sprach Zarathustra und lachte vor Liebe und Bosheit. Nach dieser
Begrüßung verneigten sich seine Gäste abermals und schwiegen ehrfürchtig;
der König zur Rechten aber antwortete ihm in ihrem Namen.
»Daran, o Zarathustra, wie du uns Hand und Gruß botest, erkennen wir
dich als Zarathustra. Du erniedrigtest dich vor uns; fast tatest du unserer
Ehrfurcht wehe –:
– wer aber vermöchte gleich dir sich mit solchem Stolze zu
erniedrigen? Das richtet uns selber auf, ein Labsal ist es unsern Augen und
Herzen.
Dies allein nur zu schaun, stiegen gern wir auf höhere Berge, als dieser
Berg ist. Als Schaulustige nämlich kamen wir, wir wollten sehn, was trübe
Augen hell macht.
Und siehe, schon ist es vorbei mit allem unsern Notschrein. Schon steht
Sinn und Herz uns offen und ist entzückt. Wenig fehlt: und unser Mut wird
mutwillig.
Nichts, o Zarathustra, wächst Erfreulicheres auf Erden als ein hoher starker
Wille: der ist ihr schönstes Gewächs. Eine ganze Landschaft erquickt sich
an einem solchen Baume.
Der Pinie vergleiche ich, wer gleich dir, o Zarathustra, aufwächst: lang,
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Buch Also sprach Zarathustra"
Also sprach Zarathustra
- Titel
- Also sprach Zarathustra
- Autor
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Datum
- 1885
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 354
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352