Nestroy, Johann (Nepomuk Eduard Ambrosius)#
* 7. 12. 1801, Wien
† 25. 5. 1862, Graz
Schauspieler, Opernsänger, Dramatiker
Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy wurde am 7. Dezember 1801 als zweites von acht Kindern des aus Komorau stammenden Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. jur. Johannes Nestroy und seiner Frau Maria Magdalena in Wien geboren.
Er sollte wie sein Vater Jurist werden. Allerdings war er schon während der Vorbereitung auf das Studium vom blühenden Hauskonzert- und Haustheaterwesen in den gut situierten Familien so künstlerisch angeregt, dass er sein Berufsziel vernachlässigte und die Gesangsausbildung bevorzugte. Am 8. Dezember 1818 gab er sein Debüt in der Wiener Hofburg mit der Basspartie in Händels Oratorium Timotheus. 1820 begann er zwar Jura zu studieren, aber Gesang und Theater waren stärker, sodass er 1822 das Studium abbrach und am 24. August die Gelegenheit am k. k. Hoftheater bekam, den Sarastro in Mozarts „Zauberflöte“ zu singen. Die Kritik war überaus wohlwollend und lobte das vorteilhafte Äußere des Sängers, die angenehme Stimme und die Disposition zu Spiel und Darstellung!
Er lernte Maria Wilhelmine von Nespiesny kennen, die er am 7. September 1823 heiratete. Er wechselte an das Deutsche Theater in Amsterdam, wo er neben Opernpartien auch bereits einige Sprechrollen in Lustspielen übernahm. 1825 ging er nach Brünn, Mitte 1826 nach Graz, wo die komischen Sprechrollen bereits die Gesangspartien überwogen.
Mit dem Durchbruch als Schauspieler im komischen Fach ging die Trennung von Ehefrau Wilhelmine einher, die ihn 1827 verließ (die Scheidung wurde erst im Februar 1845 ausgesprochen). In Graz lernte er 1827/28 die Schauspielerin Maria Antonia Cäcilia Lacher - genannt Weiler - kennen, die seine Lebensgefährtin – „die Frau“ genannt – wird. Mit ihr hat er zwei Kinder: Karl Johann Anton (* 8.10.1831) und Maria Cäcilia (* 2. April 1840), die 1858 legitimiert werden.
1831 engagierte ihn Direktor Carl ans Theater an der Wien, hier feierte Nestroy nicht nur als Schauspieler große Erfolge, sondern machte auch erste Schreibversuche, die über Textbearbeitung und kleine Vorspiele hinausgehen. Bereits 1832 erzielte er als Bühnenautor einige beachtliche Erfolge, 1833 gelang ihm mit dem “Lumpacivagabundus”, seinem (auch später) meistgespielten Werk, endgültig der große Durchbruch als Autor. Er wurde zur Leitfigur des vormärzlichen Wiener Volkstheaters, brillierte als Schauspieler in (vor allem) eigenen Stücken, die er sich und seinen Partnern Scholz, Carl, Grois, später auch Treumann auf den Leib schrieb.
Nestroys herausfordernder Stil fand ungeachtet moralischer und ästhetischer Entrüstungen von bestimmten Seiten bald ein begeistertes Publikum, er gab aber immer wieder auch Schwierigkeiten mit Publikum, Theaterpolizei und Zensur. Zeit seines Lebens schwankte Nestroy zwischen einem soliden bürgerlichen Leben als Ehemann und Familienvater und seinen galanten Abenteuern, biographische Züge scheinen in den Stücken der 30er Jahre durch Spielrollen und Possenwelt hindurch: Ehebruch- und Treue-Motiv, Familien-Problematik und verschiedene Aspekte einer Künstlerexistenz.
Marie Weiler spielte kleinere Rollen, war ab 1844 seltener auf der Bühne zu sehen und trat 1851von der Bühne ab, dafür begann sie, im Privatleben Nestroys und im Theatergeschäft eine umso bedeutendere Rolle zu spielen. 1845 ging Nestroy mit Carl ans Leopoldstädter Theater, das er 1854 – 1890 als Direktor leitete, ehe er sich altersbedingt nach Bad Ischl und Graz zurückzog.
Johann Nestroy starb an den Folgen eines Schlaganfalls am 25. Mai 1862 in Graz. Nach Wien überführt, wurde sein Leichnam auf dem Währinger Ortsfriedhof beigesetzt und fand 1881 zusammen mit den sterblichen Überresten seiner Lebensgefährtin in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32 A Nr. 6) seine letzte Ruhestätte.
Im Gegensatz zu Ferdinand Raimunds gemütsbestimmter naiver Phantasie zeigt Nestroys Werk geistvolle Ironie und desillusionierende Skepsis. Als Meister der Sprachkunst hält er in Dialekt und Hochsprache den menschlichen Schwächen einen Spiegel vor. Mit seinem Werk, das Volksstücke, Lokal- und Zauberpossen, Parodien sowie realistisch-satirische Zeit- und Sittenstücke umfasst, wurde er zum beherrschenden Autor der Wiener Vorstadttheater. Als Vorlage dienten ihm meist französische Vaudevilles, englische und deutsche Komödien der Zeit; die für seine Stücke wichtige Musik wurde meist von Adolf Müller sen. komponiert. Sein dialektischer Witz, der schon die Zeitgenossen begeisterte, liebte aphoristische Sentenzen und Wortspiele. Den Höhepunkt von Nestroys Schaffen bildeten die Jahre 1838-44, in denen so populäre Stücke entstanden wie "Der Talisman" (1840), "Das Mädl aus der Vorstadt" (1841) und "Einen Jux will er sich machen" (1842). In der "Posse mit Gesang" fand er zu einer spezifischen neuen Form.
Dass die Qualität der Werke Nestroys weit über die pures Unterhaltungstheater hinausging, erkannte Karl Kraus, der die Nestroy-Renaissance im 20. Jahrhundert einleitete.
Seine Werke wurden in viele Sprachen übersetzt und oftmals verfilmt ( Hans Moser in Nestroys "Einen Jux will er sich machen")
Seit 2000 werden von der Stadt Wien unter dem Namen "Nestroy" Theaterpreise vergeben (davor J.-Kainz-Medaillen).
Seit 1973 ist das Schloss Rothmühle in Rannersdorf Schauplatz der Nestroy-Spiele Schwechat. Gleichzeitig treffen sich seit 1975 Nestroy-Forscher aus aller Welt zu den Internationalen Nestroy-Gesprächen. Die Nestroy-Spiele Liechtenstein sind Theateraufführungen im Rahmen des Theaterfestes Niederösterreich auf der Burg Liechtenstein in Maria Enzersdorf.
Werke (Auswahl)#
- Der Zettelträger Papp (1827)
- Sieben / Zwölf Mädchen in Uniform (1827)
- Dreißig Jahre aus dem Leben eines Lumpen (1829)
- Der Einsilbige oder Ein dummer Diener seines Herrn (1829)
- Der Tod am Hochzeitstage oder Mann, Frau, Kind (1829)
- Der unzusammenhängende Zusammenhang (1830)
- Magische Eilwagenreise durch die Komödienwelt (...) (1830)
- Friedrich, Prinz von Korsika (zwischen 1822 und 1826/27)
- Zwei Schüsseln voll Faschingskrapfen (1831)
- Der gefühlvolle Kerkermeister oder Adelheid die verfolgte Wittib (1832)
- Nagerl und Handschuh oder Die Schicksale der Familie Maxenpfutsch (1832)
- Humoristische Eilwagenreise durch die Theaterwelt (1832)
- Zampa der Tagdieb oder die Braut von Gips (1832)
- Der konfuse Zauberer oder Treue und Flatterhaftigkeit (1832)
- Die Zauberreise in die Ritterzeit oder Die Übermütigen (1832)
- Genius, Schuster und Marqueur oder Die Pyramiden der Verzauberung (1832)
- Der Feenball oder Tischler, Schneider und Schlosser
- Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt (1833)
- Der Zauberer Sulphurelectrimagnetikophosphoratus und die Fee Walpurgiblocksbergiseptemtrionalis oder Die Abenteuer in der Sclaverey oder Asiatische Strafe für europäische Vergehen oder Des ungeratenen Herrn Sohnes Leben, Taten und Meinungen, wie auch dessen Bestrafung in der Sklaverei und was sich all dort Ferneres mit ihm begab (1834)
- Der Tritschtratsch (1833)
- Müller, Kohlenbrenner und Sesseltrager oder Die Träume von Schale und Kern (1834)
- Das Verlobungsfest im Feenreiche oder Die Gleichheit der Jahre (1834)
- Die Gleichheit der Jahre (1834)
- Die Fahrt mit dem Dampfwagen (1834)
- Die Familien Zwirn, Knieriem und Leim oder Der Welt-Untergangs-Tag (1834)
- Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab (1835)
- Eulenspiegel oder Schabernack über Schabernack (1835)
- Zu ebener Erde und erster Stock oder Die Launen des Glückes (1835)
- Der Treulose oder Saat und Ernte (1836)
- Die beiden Nachtwandler oder Das Notwendige und das Überflüssige (1836)
- Affe und Bräutigam (1836)
- Eine Wohnung ist zu vermieten in der Stadt, Eine Wohnung ist zu verlassen in der Vorstadt, Eine Wohnung mit Garten ist zu haben in Hietzing (1837)
- Moppels Abenteuer im Viertel unter Wiener Wald, in Neu-Seeland und Marokko (1837)
- Das Haus der Temperamente (1837)
- Glück, Mißbrauch und Rückkehr oder Das Geheimnis des grauen Hauses (1838)
- Der Kobold oder Staberl im Feendienst (1838)
- Gegen Torheit gibt es kein Mittel (1838)
- Die verhängnisvolle Faschingsnacht (1839)
- Der Färber und sein Zwillingsbruder (1840)
- Der Erbschleicher (1840)
- Der Talisman (1840)
- Das Mädl aus der Vorstadt oder Ehrlich währt am längsten (1841)
- Einen Jux will er sich machen (1842)
- Die Ereignisse im Gasthofe (1842)
- Die Papiere des Teufels oder Der Zufall (1842)
- Liebesgeschichten und Heiratssachen (1843)
- Das Quodlibet verschiedener Jahrhunderte (1843)
- Nur Ruhe! (1843)
- Eisenbahnheiraten oder Wien, Neustadt, Brünn (1844)
- Hinüber Herüber (1844)
- Der Zerrissene (1844)
- Die beiden Herren Söhne (1845)
- Das Gewürzkrämerkleeblatt oder Die unschuldigen Schuldigen (1845)
- Unverhofft (1845)
- Der Unbedeutende (1846)
- Zwei ewige Juden und Keiner (1846)
- Der Schützling (1847)
- Die schlimmen Buben in der Schule (1847)
- Martha oder Die Mischmonder Markt-Mägde-Mietung (1848)
- Die Anverwandten (1848)
- Freiheit in Krähwinkel (1848)
- Lady und Schneider (1849)
- Judith und Holofernes (1849)
- Der alte Mann mit der jungen Frau (1849)
- Höllenangst (1849)
- Sie sollen ihn nicht haben oder Der holländische Bauer (1850)
- Der holländische Bauer (1850)
- Karikaturen-Charivari mit Heiratszweck (1850)
- Alles will den Propheten sehen (1850)
- Verwickelte Geschichte (1850)
- Mein Freund (1851)
- Der gemütliche Teufel oder Die Geschichte vom Bauer und der Bäuerin (1851)
- Kampl
- Heimliches Geld, heimliche Liebe (1853)
- Theaterg’schichten durch Liebe, Intrige, Geld und Dummheit (1854)
- Nur keck! (1856)
- Umsonst (1857)
- Tannhäuser (1857)
- Ein gebildeter Hausknecht
- Zeitvertreib (1858)
- Lohengrin (1859)
- Frühere Verhältnisse (1862)
- Häuptling Abendwind oder Das greuliche Festmahl (1862)
Ausgaben:
- Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, herausgegeben von J. Hein, J. Hüttner, W. Obermaier und W. E. Yates, 1977ff.
- Briefe, herausgegeben von W. Obermaier, 1977.
Literatur#
- F.H. Mautner, Nestroy 1974
- H. Ahrens, Bis zum Lorbeer versteig´ ich mich nicht. J. Nestroy - sein Leben, 1982
- J. Hein, J. Nestroy, 1990
- J. Hein, Das Wiener Volkstheater. Raimund und Nestroy, 1991
- J. Hein, Theaterg´schichten. Ein Führer durch Nestroys Stücke, 2001
Artikel aus dem Buch "Große Österreicher":#
Johann Nepomuk Nestroy 1801-1862
Man nennt ihn den »Wiener Aristophanes«. Dass er einer der größten Komödiendichter - andere sagen : Possenschreiber - aller Zeiten war, darf außer Streit gestellt werden. Johann Nepomuk Nestroy, der Advokatensohn vom Donaustrand, gehört längst der Weltliteratur an. Sein Witz ist international - ein Beweis, daß er gut ist, auch wenn er seine Kraft aus Wort und Dialog, demnach weniger aus der Handlung als vielmehr aus der Sprache schöpft. Dennoch hat Thornton Wilder etliche seiner Stücke ins Amerikanische übersetzt, und wenn das Burgtheater mit einer Nestroy-Posse in Tokio gastiert, sind die Zuschauer trotz Simultanübersetzung begeistert.
Johann Nestroy hat noch mehr als Ferdinand Raimund jenen Sprachtypus gepflegt, den der Wiener Literaturkritiker Otto Basil das »Austriakische« genannt hat. Es ist ein Deutsch mit stark wienerischer Färbung und versetzt mit böhmischen, ungarischen, italienischen Einsprengseln. Es ist jener Dialekt - Mundart wäre fast zuwenig gesagt -, den in der Hauptstadt der Monarchie fast alle Stände und Schichten sprachen. Aus diesem Austriakisch bezieht Nestroy die skurrile Philosophie seiner Stücke. Der Inhalt selbst ist da fast schon sekundär - viele seiner Possen stammen ursprünglich aus dem Französischen. Erst durch die von Nestroy vorgenommene Transplantation nach Österreich haben sie Weltgeltung erreicht.
Und doch schrieb Karl Kraus, Nestroy sei »kein österreichischer Dialektdichter, sondern ein deutscher Satiriker« gewesen. Vielleicht deshalb hat Nestroy selbst immer gerne hochdeutsch gesprochen, aber in einer Mundart, die — wie Ludwig Speidel es formulierte — »sich der Schrift anzunähern versuchte und dadurch doppelt dem Dialekt verfiel«. Er selbst hat das, was er erreichen wollte, in einer seiner Parodien dem »komisch-dramatischen Dichtungsfabrikanten Leicht« in den Mund gelegt: »Bis zum Lorbeer versteig ich mich nicht. G'fallen sollen meine Sachen, unterhalten, lachen sollen d' Leut, und mir soll die G'schicht a Geld tragen, daß ich auch lach, das ist der ganze Zweck. Gspaßige Sachen schreiben und damit nach dem Lorbeer trachten wollen, das is eine Mischung von Dummheit und Arroganz, das is grad so, als wie wenn einer Zwetschkenkrampus macht und gibt sich für einen Rivalen von Canova aus.«
Nestroy hat viele bittere Wahrheiten geschrieben. In diesem einen Fall unterlag er einem Irrtum. Der Lorbeer ist ihm längst gewunden. Aber in die Wiege wurde er ihm nicht gelegt. Nach dem Wunsch seines Vaters, des »Hof- und Gerichtsadvokaten« Johann Nestroy, hätte Johann Nepomuk in die Fußstapfen des Erzeugers treten sollen. Er besuchte das Akademische Gymnasium, später das Schottengymnasium, versuchte sich dann als Philosophie- und schließlich als Jusstudent, spielte aber bereits auf Liebhaberbühnen. Nestroy ist als Bühnendarsteller zur Dichtung gekommen. Er war in erster Linie Schauspieler und hat nie selbst inszeniert. Als er in seinen späteren Lebensjahren Theaterdirektor wurde, hatte er kein Glück damit. Er war ein Vollblutkomödiant und kein Administrator.
Erstaunlicherweise hat er als Sänger in ernsten Rollen begonnen. Am 24. August 1822 debütierte der Bassbariton Johann Nepomuk Nestroy als Sarastro in Mozarts »Zauberflöte« im Kärntnertortheater. Der Bogen seiner Partien, die er dann auch in Amsterdam sang, spannte sich vom Kaspar im »Freischütz« bis zum Don Fernando im »Fidelio«. Schließlich wechselte Nestroy zum Sprechtheater, über Brunn führte sein Weg dann zurück nach Wien. In Brunn war es auch, wo sich die erste Direktkonfrontation mit den k. k. Behörden ereignete - mit jenen kakanischen Administratoren, die er dann später immer wieder ins Visier nahm. Weil er, durch Missfallenskundgebungen im Publikum gestört, in einem Märchenstück lustlos, schlecht und »kaum hörbar« spielte, wurde er festgenommen: »Wegen der Geringschätzigkeit, mit der ich den Abend vorher das Publikum behandelte, mußte ich um neun Uhr vormittags in den Polizeyarrest, ging dann in die Probe, nach der Probe in den Arrest und zur Vorstellung wieder heraus. Am Schlusse wurde ich hervorgerufen.«
Bis 1831 dauern Nestroys Wanderjahre, schon 1829 debütiert er aber in Wien als Bühnenschriftsteller: mit dem Stück »Der Tod am Hochzeitstage«. Nicht nur in Brunn, sondern später auch in Graz und dann in der Reichshaupt- und Residenzstadt ist er der Zensur und den Polizeibehörden wiederholt unangenehm aufgefallen. Denn er hat - in der Art der von Stranitzky begründeten Wiener Hanswurstkomik - nicht nur unausgesetzt outriert, er gefiel sich in einer zotigen Darstellungsweise, die einen Zeitgenossen bemerken ließ, Nestroy sei der »Napoleon der Gemeinheit«. Das war er nicht: er war als Schauspieler schlicht und einfach ordinär, und das gefiel dem Publikum. Jene Erotik, der er in seinen Stücken immer aus dem Weg ging, hat er als Schauspieler in drastischer Form, durch extemporierende Worte und übertriebene Gestik, kompensiert. Muten die Liebesszenen, die Frauengestalten in seinen Possen geradezu unnatürlich schüchtern an, so war er selbst - als Darsteller und auch als Mensch - so etwas wie ein Vollbluterotiker. Seine erste Frau, Wilhelmine von Nespiesni, ging ihm mit einem Aristokraten durch, seine zweite, die er innig liebte, aber nie heiratete, wohl aber auch in seiner Korrespondenz ehrfürchtig immer »die Frau« nannte, betrog er unausgesetzt.
Es war die Sängerin Marie Weiler, treu stand sie ihm, dem von Selbstaggressionen geschüttelten Neurotiker, bis an sein Lebensende zur Seite, gebar ihm zwei Kinder, erwies sich auch als überaus erfolgreiche Helferin in finanziellen und administrativen Belangen. Das Theater in der Josefstadt, jenes in der Lepoldstadt, später Carltheater nach dem Direktor Karl Carl genannt, sind die Stätten Nestroyscher Triumphe -und auch mancher Niederlagen. Das Publikum hat ihn und seine Stücke nicht immer bejubelt. Ein knappes Dutzend seiner Possen haben seine Zeit überdauert, allen voran sein großer Erfolg »Lumpazivagabundus«. Zeitweilig war Nestroy verbittert - über die Zustände, über die Leute. Dass es nicht immer so weitergehen könne, dass nicht zuletzt die übertriebene Verschwendungssucht der Reichen zu sozialen Unruhen führen würde, ahnte er voraus: »Lumpazi« (wie auch der Raimundsche »Verschwender«) war Ausfluss dieser Sorge. Von Nestroy wird erzählt, er habe den Refrain des Couplets »Die Welt steht auf kan Fall mehr lang« auf dem ersten Wort betont: diese Art von Welt, meinte er, werde untergehen.
Dabei war Nestroy im Grunde seines Herzens kein überzeugter Demokrat; als er einmal ausgepfiffen wurde, hörte ein Bühnenkollege, wie er zähneknirschend murmelte: »Kanonen! Kanonen! Zusammenkartätschen die Kanaillen dort unten!« Er war Monarchist, und sein vielgerühmtes Demokratiestück »Freiheit in Krähwinkel« schrieb er erst, als es ungefährlich war, post festum gewissermaßen. Auch etliche seiner darin geäußerten Aphorismen zeigen, dass er vom »Volk« nicht allzuviel hielt: »Das Volk is ein Ries' in der Wiegen, der erwacht, aufsteht, herumtargelt, alles zusammentritt und am End' wo hineinfällt, wo er noch viel schlechter liegt als in der Wiegen.« Auch Freiheit und Gleicheit verspottete er: »Schaut man die Gleichheit so an, sagt man: Nein. Da hört's auf, ein Vergnügen zu sein.« -»Das ist die auf einen simplen Couplet-Nenner gebrachte Philosophie eines, der's hat, denn Nestroy war damals schon ein sehr wohlhabender Mann«, schreibt Otto Basil.
Der's hat? In der Tat - Johann Nepomuk Nestroy hat vor allem eines gehabt: Genie. Allein für den »Lumpazi«, den »Jux«, den »Talisman« und den »Zerrissenen« ist ihm ein Platz im Olymp sicher. Seine witzige Metaphysik ist unerreicht geblieben, und seine verbalen Geistesblitze sind auch heute noch eine ewig aktuelle Fundgrube. »Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, dass er viel größer ausschaut, als er wirklich ist«, sagte er. 150 Jahre später dient auch dieser Ausspruch als Beweis für die Ewiggültigkeit Nestroyscher Satire.
Weiterführendes#
- Vorzellner, M.: Komödiant und Mythenzerstörer (Essay)
- Hans Moser in Nestroys "Einen Jux will er sich machen" (Video-Album)
- Sonderpostmarke 100. Todestag (Briefmarken)
- Sonderpostmarke 200. Geburtstag, 2001 (Briefmarken)
- 100 Schilling, 1976 (Münzen)
- 20 Schilling Münze (Münzen)
Quellen#
- AEIOU
- Internationales Nestroy Zentrum Schwechat
- Große Österreicher, ed. Th. Chorherr, Verlag Ueberreuter, 256 S.
- Wiener Zeitung
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