Zisterzienserstift Zwettl#
Das Zisterzienserstift Zwettl verdankt seine Gründung dem Ministerialengeschlecht der Kuenringer. Sie waren wesentlich an der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Landes Niederösterreich, besonders des Waldviertels, beteiligt. Hadmar I. erbaute die Stammburg Kühnring in der heutigen Marktgemeinde Burgschleinitz-Kühnring und gründete 1138 mit Stift Zwettl das drittälteste Zisterzienserkloster der Welt. Einige Angehörige des Geschlechtes fanden hier ihre letzte Ruhestätte, der Kuenringer-Stammbaum ist hinter dem Hochaltar zu sehen.
Die Gründungslegende
Die Chronik „Verteutschtes Cistercium Bis-Tertium
... Prag 1708“ erzählt: Es „erschien ihm in solchem tiefen
Nachsinnen am Fest des heiligen Silvester
in der Nacht die Mutter Gottes . Sie befahl
ihm, er solle mit Hermann, dem ersten
Abt, sich in den nächsten Wald verfügen und
an dem Orte, wo sie einen grünen und zugleich
fruchttragenden Baum finden würden,
das neue Kloster anlegen. Der fromme Gründer
erzählte folgenden Tages diese Vision
dem erwähnten Abt Hermann, welcher sich
hierüber nicht wenig freute und meldete, dass
er selbst in seiner nach der Mette gehaltenen
Meditation, eben am Neujahrstag Anno 1139,
eine gleichartige Erscheinung gehabt hätte.
Sie ritten noch am selben Tag gegen den
Kampfluß in den Wald und fanden endlich
nach langem Umherreiten unter den mit
Schnee durchgehend bedeckten und vom
Laub gänzlich entblößten Bäumen einen
schönen, grünen und fruchttragenden Eichenbaum,
dessen Wipfel einem Kreuz zu gleichen schien.
Woselbst sie mit herzlichem Vergnügen
sofort nach der nötigen Rodung das
Kloster und die Kirche zu bauen angefangen
und den hohen Altar zum ewigen Andenken
an diese wunderbare Begebenheit eben an
denselben Platz gesetzt haben, wo der grünende
Eichenbaum gestanden. Der Stifter
soll hernach dem neuen Stift so viel des umliegenden
Grundes gewidmet haben, wie er
in Begleitung des Abtes Hermann in einem
Tag umreiten konnte.“
Eine der wichtigsten Handschriften, in der
auch die Legende niedergeschrieben wurde,
ist das Zwettler Stiftungsbuch, die
„Bärenhaut“ – so genannt, weil der Einband
von einem „Saubären“ (Eber) stammt. Seit 1311
ist das Kloster im Besitz dieser bedeutenden Handschrift.
Im Hochaltar findet
die Legende ihre Fortsetzung ohne Worte:
Der Eichenbaum mit dem gekreuzigten
Jesus ist umgeben von einem Strahlenkranz,
wo einst die grünende Eiche im Winter stand.
Von der Romanik zur Gotik
Die erste Stiftskirche wurde am 18. September 1159 geweiht.
Wie alle Klöster aus dieser Zeit bestand
die Anlage aus dem Kapitelsaal, der
als Versammlungs-, Besprechungs- und Abstimmungsraum
diente, einer Schreibstube
(Scriptorium), einer Küche, einem Schlafsaal
(Dormitorium) und einer Latrinenanlage
(Necessarium).
Vom ehemaligen romanischen Bau
ist fast nichts erhalten, jedoch einige Teile im frühgotischen Stil. Der berühmte romanisch-gotische Kreuzgang mit dem Brunnenhaus entstand im frühen 13. Jahrhundert
Die Schatzkammer bewahrt ein berühmtes
Reliquienkreuz und eine Madonna aus Elfenbein.
1343 nahm die neuere Baugeschichte
der Stiftskirche, mit der Errichtung
eines gotischen Chors, ihren Anfang. Doch schon fünf
Jahre später brach die Pest über Europa herein
– und auch Österreich blieb nicht davor
verschont, so mussten die Bauarbeiten eingestellt
werden. Vorsichtig geschätzt fielen
rund 30 Prozent der Bevölkerung europaweit
dem Schwarzen Tod zum Opfer.
1360 wurde unter Abt Otto II. Grillo
weitergebaut. Es dauerte fast ein
Vierteljahrhundert, bis der neue Hochaltar
1383 eingeweiht werden konnte, was der
Abt aber nicht mehr erlebte.
Die Hussitenkriege, die 1419 begannen, dauerten mehr als zwei Jahrzehnte. 1427 wurde die Stadt
Zwettl dreimal belagert. Das nahe gelegene
Kloster blieb nicht verschont. Die Mönche
konnten einiges in Sicherheit
bringen, was sie auf der Burg Lichtenfels, die
etwa 17 Kilometer entfernt, auf einem
bewaldeten Felskopf stand, versteckten.
Ein Entsatzheer,
zusammengestellt von Herzog Albrecht
V., schlug die Hussiten in die Flucht
– woran ein Gedenkstein am Südhang
des Weinberges erinnert. Die Kirche war nicht zu retten.
Ausgebrannt und vollkommen
zerstört, wurde sie im spätgotischen
Stil erneuert. Zum Schutz des Klosters entstand eine Ringmauer, von der
zwei Rundtürme im Prälatengarten und an der alten Sakristei zu sehen sind. Erst Ende
des 15. Jahrhunderts konnte mit der Instandsetzung
der Gebäude begonnen und ehemals
verpfändete Güter konnten wieder eingelöst
werden.
Unruhige Zeiten im 16. und 17. Jahrhundert
Kaum hatte man die Hussitenkriege und
die Instandsetzung des Klosters bewältigt,
begannen die Türkenkriege und die schwerwiegenden
Zeiten der Reformation und des
Dreißigjährigen Krieges. 1561 fanden sich
nur noch drei Brüder und zwei Novizen zur
Abtwahl ein…
Wie in vielen anderen Länder des damaligen
Reiches waren zur Zeit der Reformation
weite Teile Niederösterreichs protestantisch
geworden. Die römisch-katholische
Kirche versuchte die Protestanten zurückzudrängen, wobei
die Klöster als „Bollwerk“ dienen sollten.
Die konfessionellen Konflikte führten
zum Ausbruch des Dreißigjährigen
Krieges – mit dem Aufstand der böhmischen
Stände und dem Zweiten Prager Fenstersturz
vom 23. Mai 1618 als Auslöser.
1645 mussten die Mönche vor den heranrückenden
Schweden gemeinsam mit ihrem
Abt nach Wien flüchten. Das Stift blieb nicht
ungeschont und wurde mehrmals ausgeraubt.
Barocke Blütezeit
Doch trotz allem konnte sich das Kloster von
den Kriegswirren erholen, wozu vor allem
Abt Johann Bernhard Linck (1646-1671) wesentlich
beitrug. Zu den großen Werken
österreichischer barocker Klostergeschichtsschreibung
gehören seine „Annales Austrio-
Claravallenses“ wobei er die
„Bärenhaut“ als Quelle verwendete. Weiters
förderte der historiografisch tätige Linck
Wissenschaft, Unterricht und Musik (Sängerknabeninstitut).
Die bis zum 19. Jahrhundert
bestehende Apotheke wurde durch ihn
„unter Zuhilfenahme“ eines Apothekers aus
Köln errichtet.
In der Barockzeit erhielt das Stift seine heutige Gestalt. Unter Abt Caspar Bernhard – und vor allem unter Melchior von Zaunagg – wurden Hof und Kirche umgebaut. Die namhaftesten Künstler der Zeit arbeiteten in Zwettl: Josef Munggenast, Paul Troger, Martino Altomonte, Martin Johann Schmidt (Kremser Schmidt), Johann Georg Schmidt (Wiener Schmidt) und Jakob Schletterer. Die Kirche erhielt einen 80 Meter hohen Turm. Neu errichtet wurde die Bibliothek mit dem Freskenzyklus aus der Herkulessage, von Paul Troger. Die Bücher in den Regalen erhielten einheitliche weiße Ledereinbände. Es entstanden die Stiftstaverne und Teile des Konventsgebäudes, ein weiterer Konventtrakt, die sogenannte „Böhmzeile“. Es wurde Rücksicht auf die Erhaltung der alten Substanz genommen und man legte sozusagen das Barocke darüber. Nur das romanische Langhaus der Kirche wurde abgetragen. So wie zu Beginn des 13. Jahrhunderts der romanische Stil mit der Frühgotik eine künstlerische und architektonische Symbiose bildete, gelang zum zweiten Mal eine Symbiose: diesmal zwischen Gotik und Barock.
Kanzel, Chorgestühl, Beichtstühle und
mit geschnitzten Köpfen geschmückte Bücherschränke
wurden von den Laienbrüder
Maleg und Mark erschaffen, die in der Holzbearbeitung
ausgebildet waren. Die Seitenaltäre wurden erneuert
und die Kirche erhielt zwei neue Orgeln.
1731 vollendete Johann Ignaz Egedacher die Orgel auf der Westempore.
Besondere Freude dürfte der Abt wohl
auch an der Gestaltung der Gärten durch den
bedeutenden Barockbaumeister Josef Munggenast gehabt haben, der auch das „Sommerstöckl“
im Prälatengarten zum Empfang vornehmer
Gäste errichtete, wo heute in den beheizbaren
Orangerien exotische Pflanzen
überwintern.
1740 erwarb das Stift Zwettl das Schloss
Gobelsburg samt der dazugehörigen Grundherrschaft.
Und da die Zisterzienser bereits
seit dem Mittelalter in Kammern und
Weinzierl Weingärten besitzen, entstand auf
Gobelsburg eine traditionsreiche Weinproduktion.
Rainer Kollmann, der letzte Barockprälat,
war nicht nur Vertrauter Kaiserin Maria Theresias,
er war auch Generalvikar und Visitator
der Österreichischen Zisterzienserprovinz
und bekleidete weitere öffentliche Ämter. Aus
Anlass seines 50jährigen Professjubiläum komponierte
kein Geringerer als Joseph Haydn
den „Applausus“, der in der Stiftskirche uraufgeführt
wurde.
Für die Umgestaltung des Refektoriums
verpflichtete Abt Rainer den gefragten Barockmaler
Paul Troger für die großformatigen
Ölbilder, der damit im Stift Zwettl sein
Alterswerk hinterließ: „Das letzte Abendmahl“
und die „Fußwaschung“ füllen die gesamten
Schmalseiten des mächtigen Raumes.
Stift Zwettl im 18. und 19. Jahrhundert
Kaiser Joseph II. ließ alle
Orden aufheben, die keine Krankenpflege,
Schulen oder andere soziale Aktivitäten betrieben
hatten. Zudem wurden Feiertage und
Kirchenfeste abgeschafft. Stift Zwettl blieb
durch verstärkte Zuwendung zu sozialen Arbeiten von der Aufhebung verschont, verlor
aber zehn Meierhöfe.
Das Kloster war im 19. Jahrhundert den
sozialen, wirtschaftlichen und technischen
Errungenschaften aufgeschlossen. Dies ist
vor allem Abt Stephan Rössler (1878-1923)
zu verdanken. Es entstand ein Epidemiespital,
ein Altersheim für Mönche, das nach ihm
benannte Stephaneum im Lindenhof, ein
Elektrizitätswerk - die Kirche wurde elektrisch beleuchtet -,
eine Volksschule und Brücken zur Verbesserung der Infrastruktur.
Die Aufhebung durch die NS-Herrschaft
konnte zwar verhindert werden, doch große
Teile der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen
fielen an den Truppenübungsplatz Allentsteig
– samt dem baulich ältesten und urkundlich
bereits 1210 genannten Landgut
Dürnhof.
Schritte in die Zukunft
1981 zählte die Landesausstellung
„Die Kuenringer – Das Werden
des Landes Niederösterreich“ im Stift Zwettl fast 400.000 Besucher.
2013, zum 875 Jahr-Jubiläum waren die Innenrestaurierung der Stiftskirche und die Renovierung der Nebengebäude abgeschlossen. Die Kosten von 12 Mio. € wurden vom Land Niederösterreich, der Diözese St. Pölten, dem
„Verein der Freunde des Stiftes, Spendenaktionen und Benefizveranstaltungen aufgebracht.
"HLUW" ist die Kurzbezeichnung der Höheren Lehranstalt für Umwelt und Wirtschaft des Zisterzienserstifts Zwettl. Die katholische Privatschule ist eine Berufsbildende Höhere Schule (BHS), die man nach 5 Jahren mit der Matura abschließt. Sie bietet zwei Fachrichtungen, die es in dieser Form nur einmal in Österreich gibt: Umwelt und Wirtschaft, sowie Wasser- und Kommunalwirtschaft. Ihr Motto lautet: „Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen“ (Antoine De Saint-Exupery).
Quelle:
Artikel von Christa und Michael Mössmer, unter Verwendung von Informationen des Stifts Zwettl in: Österreich Journal Nr. 122 / 29. 08. 2013
Österreich Journal
Stift Zwettl
Fotos:
Alle Fotos: Copyright © Stift Zwettl, oesterreichfotos.at, Michael Mössmer
Siehe auch: Stift Zwettl
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