Wir freuen uns über jede Rückmeldung. Ihre Botschaft geht vollkommen anonym nur an das Administrator Team. Danke fürs Mitmachen, das zur Verbesserung des Systems oder der Inhalte beitragen kann. ACHTUNG: Wir können an Sie nur eine Antwort senden, wenn Sie ihre Mail Adresse mitschicken, die wir sonst nicht kennen!
unbekannter Gast
vom 04.03.2022, aktuelle Version,

Johann Bertolini

Hochzeit mit Anna Maria Nenning am 28. Mai 1888 in Egg

Giovanni Ferdinando Bertolini (* 28. Dezember 1859 in Romallo, Welschtirol; † 31. Dezember 1931 in Egg, Vorarlberg) war ein österreichischer Bauunternehmer und Straßenbaupionier.

Leben

Kindheit und frühe Jugend

Seine Kindheit und Schulzeit verbrachte er in Romallo, in dem damals zu Österreich gehörenden Nonstal in Welschtirol. Er unterstützte seinen Vater, der sich in den Sommermonaten auf Baustellen, oft fern der Heimat verdingte. So wirkte er beim Bau der Pustertalbahn um 1871 als 12-jähriger Träger mit. Danach begleitete er seinen Vater 8 Jahre lang meist auf Straßenbauprojekten in der Schweiz. Im Kanton St. Gallen erlernte er das Maurerhandwerk. Sein Lehrherr war von seinen Leistungen und Fähigkeiten so überzeugt, dass er ihn auf seine Kosten die Bauhandwerkerschule besuchen lassen wollte, was sein Vater allerdings verhinderte, weil er seine eigene Unterstützung gefährdet sah.[1] Beim Bau des Arlbergbahntunnels von 1880 bis 1884 brachte er es zum Partieführer[2] und erhielt für seine Leistungen die Durchbruchsmedaille.

Vom Arlbergbahnbau in den Bregenzerwald

Ab 1885 errichtete er als „Akkordant[3] erste Bauwerke im Bregenzerwald wie die Bogenbrücke SchwarzenbergAndelsbuch und die Bierkellerei Metzler in Schwarzenberg. Mit der Vertragsunterzeichnung von Johann Berlinger am 11. April 1888 kam es zur Straßenausführung Amagmach/Egg. Am 28. Mai 1888 heiratete er Anna Maria Nenning. Nach dem Bau einer Reitbahn mit Stallungen in Karlsruhe (1888) kam er nach Egg zurück und besorgte die Aufstellung und Vernietung der Fluhbrücke.

1890 erfolgte der erste Spatenstich für den Neubau des Schulhauses in Bezau sowie der Fundamente des Kirchturms und der Kirchenmauern in Egg. Die Bierkellerei Geser, Andelsbuch, die heute als Ausstellungsfläche von Handwerk+Form dient, wurde 1891 gebaut. Der Bau der Ziegelei (mit Wohnhaus, 1892) in Bezau sicherte die Ziegellieferung in der Region. Die Brauerei Egg entstand 1893 und im darauf folgenden Jahr der Löwensaal (eben dort).

In diesen Jahren kamen die Kinder Maria (1889), Aurelia (1890), Konstantina (1891), Isidor (1892), Gisela (1894) und Emma (1896) zur Welt.

Baumeister der Flexenstraße

Flexenpass-Panorama – aus dem originalen Bauakt

Der 3. August 1895 war der Baubeginn für die Flexenstraße von Stuben über den Flexenpass nach Lech bis Warth. Am 11. Oktober 1897 weihte man das erste Teilstück bis zur Passhöhe ein. Die Straßenbreite betrug zunächst drei Meter.

Flexenpass Straße Panorama, 2017

Bregenzerwaldbahn und Straßenbauprojekte

Hunderte von Trentiner Arbeitern arbeiteten 1901 die Trasse der Bregenzerwaldbahn aus dem Fels der Bregenzerachschlucht heraus. Bertolini übernahm den Bau von Teilstücken wie die Strecke AndelsbuchBersbuch sowie einige Brückenbauten. Mit dem Straßenbau, wie der Straße Bezau–Bizau, der Damülser Straße – diese bestand u. a. aus Rigolen und mehreren Brückenbauten –, der Bayenbrücke Bezau, der Straße Bahnhof Lingenau-Moos und der Klausenstraße Mellau, konnten weitere Dörfer des Bregenzerwaldes an das moderne Verkehrsnetz angebunden werden. Der Drahtsteg LangenBuch über die Bregenzer Ach verband die Bewohner von Buch mit der Haltestelle der Bregenzerwaldbahn. Zur Ausführung des Walserschanzstraßenprojekts mit zwei Bogenbrücken, deren Brückenkränze aus Beton (nach dem Prinzip von Joseph Monier) die Druckbelastung übernehmen, kam es 1908. Das Viadukt über den Krumbach bei Warth (sieben Brückenkränze mit Schlusssteinsetzung) bildete 1909 die Endverbindung der Flexenstraße. Mit dem Bau der Konkurrenzstraße Mellau–Hirschau 1911 wurde das seinerzeit größte Verkehrshindernis der ganzen Linie beseitigt.

Bürgerliche Häuser in Stein

Bald führte Bertolini nicht nur Verkehrsbauten innerhalb und außerhalb des Bregenzerwaldes, sondern öffentliche Gebäude und zunehmend bürgerliche Wohnhäuser aus. Seine Auftraggeber wollten keine Holzbauten mehr, sondern, wie etwa Kaspar Ritter in Egg, bürgerliche Häuser aus Stein – mit entsprechend gestalteten Fassaden und Dächern. Als Beispiele für eine solche Architektur der Moderne im Bregenzerwald zeugen bis heute u. a. das Fabriksgebäude Hammerer & Kessler und das Sparkassengebäude (beide in Egg), Bad Hopfreben in Schoppernau, der Gasthof Taube in Alberschwende, das Kapuzinerkloster Bezau und der Schießstand Egg von dem damaligen Bauboom. Die Bahnhofsrestauration Egg (1909) in klassischer Verblendarbeit erbaut, mit sichtbaren Fachwerk im turmartigen Erker des Mittelrisalits, das Hotel Dorner in Hittisau – ein palaisartiges Gebäude, dessen Eingangsportal mit einem Mittelrisalit und Rundbogenfenstern betont war – und die Schule in Jodok Finks Heimatort Andelsbuch, ein Bau im Stil des bürgerlichen Historismus, fielen in den 1970er/1980er Jahren der Spitzhacke zum Opfer.

Elektrizitätswerke im Bregenzerwald

Angesichts der zunehmenden Industrialisierung betrieben modern denkende Bauherren, wie Michael Moosbrugger von der Bruggmühle in Egg und Franz Josef Natter mit Josef Feuerstein in Bezau, erste Elektrizitätswerke im Bregenzerwald. Neben deren Häusern erstellte Bertolini zudem den Stollen für das Elektrizitätswerk in Egg (1907) und einen 300 Meter langen Kanal für das E-Werk Natter in Bezau (erstes E-Werk im Bregenzerwald).

Spätere Bauten

Trotz des Ersten Weltkriegs konnten Bauten wie der Wuhrbau Au-Lugen, 1915, und das Sägewerk Natter sowie der Wuhrbau Bezau, beide 1916 verwirklicht werden. 1920/1921 verlängerte Bertolini die Kirche Schwarzenberg, deren Innenraum mit den Apostelköpfen der Malerin Angelika Kauffmann ausgestattet ist. Im Jahr 1922 wurde die Straße Rindberg Sibratsgfäll, 1923 der Dorfplatz Sulzberg mit zentriertem Brunnen gebaut. Das Wohn- und Verwaltungsgebäude sowie das Fabriksgebäude Lang in Egg bildeten in den Jahren 1922–1924 den Abschluss von Johann Bertolinis Bauunternehmungen. Am 22. August 1925 starb Maria, sechs Jahre danach, am 31. Dezember 1931, Johann Bertolini in Egg.

Erinnerung

Nachlass

  • Tagschichten-Verzeichnis der Kunden der Firma Johann Bertolini (im Original mit einer Detaillierung der jeweils durchgeführten Arbeiten)
  • Skizzen- und Nachschlagebuch – Bürgerliche Bauten im Rohbaustil
  • Anmeldebücher der Arbeiter

Auszeichnungen

  • Durchbruchsmedaille zur Erbauung des Arlbergtunnels, 1884.
  • Ehrenmedaille der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie für Vorarlberg, 1931.

Würdigung

Ausstellung Stein auf Stein im EGG Museum

2009 wurde in einer Ausstellung im Egg Museum mit dem Titel Stein auf Stein, Johann Bertolini, 1859 – 1931 das Leben des Giovanni/Johann Bertolini (1859–1931) erzählt: die Geschichte eines ungewöhnlichen Arbeitszuwanderers, der es vom wandernden Bauarbeiter zum viel beschäftigten Bauunternehmer gebracht und in seiner Wahlheimat Egg im Bregenzerwald bleibende Spuren hinterlassen hat. Dabei wurden sowohl seine eigenen Bauwerke als auch jene der Trentiner Bauleute im übrigen Vorarlberg gezeigt. Außerdem wurde damit ein bislang wenig bekannter Teil der Vorarlberger Migrationsgeschichte des 19. Jahrhunderts beleuchtet. Dazu gab es einen Bericht in V-Heute vom 25. Juli 2009[4] und in den Vorarlberger Nachrichten vom 31. Juli 2009.[5]

Quellen

Literatur

  • Rita Bertolini: Stein auf Stein – Johann Bertolini 1859–1931. Hohenems, Bucher Verlag 2008, ISBN 978-3-902612-41-0
  • Kurt Greussing: Und d’Zuokumpft rumplot mit G’wault daher – Giovanni/Johann Bertolini (1859–1931) und die Moderne im Bregenzerwald. In: Kultur (PDF; 1,5 MB) 1/2008, S. 46/47
  • ORF 2: V-Heute (MOV; 4,4 MB) 22. Februar 2008
  • Helmut Tiefentaler: Johann Bertolini 1859–1931. In: Montfort 60.1/2 (2008), S. 129/130

Bildquellen

Bilder aus dem Nachlass Johann Bertolini, nutzungsfrei.

Einzelnachweise

  1. siehe Weblink Vorstellung des Buches Stein auf Stein
  2. Vorarbeiter
  3. Subunternehmer
  4. Egger Museum zeigt Bertolini-Ausstellung@1@2Vorlage:Toter Link/vorarlberg.orf.at (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf ORF vom 25. Juli 2009, abgerufen am 25. Juli 2009.
  5. Vorarlberger Nachrichten vom 31. Juli 2009
Commons: Johann Bertolini  – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien