Wilhelm Miklas

Wilhelm Miklas (* 15. Oktober 1872 in Krems an der Donau (Niederösterreich); † 20. März 1956 in Wien) war ein österreichischer Politiker (CS) und Bundespräsident.
Leben
Wilhelm Miklas, Sohn eines Postbeamten, studierte in Wien Geschichte und Geographie. Er war Mitglied der K.O.St.V. Franconia Wien, damals im CV, jetzt im ÖCV. Von 1905 bis 1922 war er Direktor am Gymnasium Horn.
1907 begann seine politische Karriere als Abgeordneter der Christlichsozialen Partei im Reichsrat. 1911 wiedergewählt, war er als Abgeordneter ab Oktober 1918 Mitglied der Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich und wurde im Februar 1919 in die Konstituierende Nationalversammlung für Deutschösterreich gewählt. Das Parlament wählte ihn in seinen Leitungsausschuss, den Staatsrat. 1919 wurde Miklas Unterstaatssekretär für Kultur im Kabinett von Staatskanzler Karl Renner.
Als das Parlament am 12. November 1918 die Republik und den Anschluss an das Deutsche Reich beschloss, sprach sich Miklas gegen diesen Anschluss aus.
1923 bis 1928 war Miklas Präsident des Nationalrates. Durch die Bundesversammlung wurde er am 10. Dezember 1928 zum Bundespräsidenten Österreichs gewählt.
In der Krise um die sogenannte „Selbstausschaltung des Parlaments“ im März 1933 unterließ er es, von der Bundesregierung den nötigen Vorschlag zur Auflösung des Nationalrates und zu Neuwahlen einzufordern bzw. die diesbezüglich untätige Regierung durch eine verfassungstreue zu ersetzen, was ihm nach der Verfassung jederzeit möglich gewesen wäre. Ebenso unterließ er es, von der Regierung die nötigen Vorschläge zur Besetzung vakanter Richterposten im Verfassungsgerichtshof zu verlangen und war damit hauptverantwortlich für die Lahmlegung dieses Höchstgerichts.
Durch seine Passivität – er ließ sämtliche ihm von der Verfassung gegebenen Rechte, für eine verfassungstreue Regierung zu sorgen, ungenützt – ermöglichte es Miklas Engelbert Dollfuß, den austrofaschistischen Ständestaat zu errichten. In postum entdeckten privaten Notizen äußerte sich Miklas kritisch zur Politik von Dollfuß und dessen Nachfolger Kurt Schuschnigg. Insbesondere kritisierte er dort die Wiedereinführung der Todesstrafe. Während öffentliche Kritik der Regierungspolitik ausblieb, notierte Miklas in seinem privaten Tagebuch:
„Ist das noch ein Rechtsstaat? Nach der Zerstörung des Parlaments jetzt auch noch die Zerstörung des Verfassungsgerichtshofs. Das soll ein katholisches Gewissen aushalten![1]“
1934 scheiterte ein Attentat österreichischer Nationalsozialisten auf Miklas.
In seiner zweiten Amtsperiode ernannte er nach dem Rücktritt Schuschniggs am Abend des 11. März 1938, während der Einmarsch deutscher Truppen (siehe Anschluss) begann, auf Druck des NS-Regimes Arthur Seyß-Inquart zum Bundeskanzler. (Von Miklas befragte Christlichsoziale hatten abgelehnt, das Amt zu übernehmen.) Das Bundeskanzleramt auf dem Ballhausplatz, in dem auch der Bundespräsident amtierte, wurde "zum Schutz Miklas" von SS-Truppen umstellt. Als Seyß-Inquart das Anschlussgesetz zur Unterzeichnung vorlegte, entging Miklas der Unterzeichnung dadurch, dass er am 13. März 1938 zurücktrat. Seine Funktionen als Staatsoberhaupt gingen damit auf den Bundeskanzler über, der das am gleichen Tag in Kraft tretende Gesetz unterzeichnete.
Die Frage, warum Miklas, der den Verfassungsbruch klar erkannte, nichts gegen Dollfuß, Schuschnigg und Seyß-Inquart unternommen hat, wurde in der zeitgeschichtlichen Literatur erörtert. Als Begründung wird angeführt, Miklas habe um seine vielköpfige Familie und deren Unterhalt gebangt und sich deshalb nicht getraut, seine Person und seine Funktion zu gefährden. Es ist bemerkenswert, dass die spätere Kritik der Sozialdemokraten sich weitestgehend auf die handelnden Politiker des Austrofaschismus konzentrierte und die entscheidenden Unterlassungen Miklas' fast aussparte.
Die Zeit des Zweiten Weltkriegs verbrachte Miklas in seinem – heute noch existenten – Haus in der Hainburger Straße in Wien-Erdberg. Er bezog seine Bundespräsidentenpension und wurde vom NS-Regime – im Unterschied zu anderen prominenten Exponenten des Ständestaates – nicht verfolgt.
Nach 1945 übte Miklas keine politischen Funktionen mehr aus, obwohl er vorübergehend erneut als Bundespräsident im Gespräch gewesen war, wogegen er sich jedoch sträubte. Im Januar 1948 wurde Miklas für den Wilhelmstraßen-Prozess gegen Ernst von Weizsäcker et al. (Fall 11) vernommen. Das Tribunal reiste dazu extra nach Wien. Nach seinem Tod wurde er auf dem Döblinger Friedhof beigesetzt.
Literatur
- Peter Malina: Miklas, Wilhelm. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 492 f. (Digitalisat).
Weblinks
- Literatur von und über Wilhelm Miklas im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Wilhelm Miklas auf den Webseiten des österreichischen Parlaments
- Biographische Daten von Wilhelm Miklas im Biographischen Handbuch des NÖ Landtages 1861–1921
- Eintrag zu Wilhelm Miklas in der Datenbank Gedächtnis des Landes zur Geschichte des Landes Niederösterreich (Museum Niederösterreich)
- Zeitgenössisches Portrait in der „Wiener Zeitung“ auf Anno (Austrian Newspapers Online)
Einzelnachweise
- ↑ Zitiert nach profil, Wien, Nr. 46, 13. November 2006, S. 19.
Erste Republik: Zweite Republik: |
Personendaten | |
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NAME | Miklas, Wilhelm |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 15. Oktober 1872 |
GEBURTSORT | Krems an der Donau |
STERBEDATUM | 20. März 1956 |
STERBEORT | Wien |