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Lothar, Ernst #

eigentlich E. L. Müller


* 25. 10. 1890, Brünn (Brno, Tschechische Republik)

† 30. 10. 1974, Wien


Theaterkritiker, Regisseur, Schriftsteller


Ernst Lothar (1963)
Ernst Lothar (1963)
WStLA, Fotos des Presse- und Informationsdienstes, unter CC BY-NC-ND 4.0

Ernst Lothar wurde als Lothar Ernst Müller am 25. Oktober 1890 als Sohn einer jüdischen Rechtsanwaltsfamilie in Brünn geboren und übersiedelte mit seinen Eltern und Geschwistern 1904 nach Wien. (Sein Bruder war Hans Müller-Einigen, der ebenfalls Schriftsteller wurde und in der Schweiz lebte.)

Nach dem Besuch des Gymnasiums in Brünn und Wien, wo er auch maturierte, absolvierte er an der Universität Wien ein Studium der Rechtswissenschaften, das er 1914 mit der Promotion zum Doktor der Rechte (Dr. jur.) abschloss. Bereits während seiner Studienzeit veröffentlichte er unter einem Pseudonym Gedichte und Novellen in Zeitschriften und Zeitungen; 1910 erschien sein erstes Buch, der Gedichtband "Der ruhige Hain".

Ernst Lothar konvertierte zum Katholizismus und meldete sich 1914 nach Kriegsausbruch als Einjährig-Freiwilliger zum Kriegsdienst, wurde jedoch bald für untauglich befunden und als Gerichtsreferendar nach Wels versetzt. Ende 1917 wurde er in Wien dem Handelsminsterium zugeteilt, wo er als Beamter Karriere machte und bald zum Sektionsrat, später zum Ministerialrat ernannt wurde. Zu seinen Aufgaben gehörten u.a. die Exportförderung und das gewerbliche Schulwesen: er war an der Gründung der Wiener Messe, an der Umwandlung der k.k. Exportakademie in die "Hochschule für Welthandel" (später "Wirtschaftsuniversität Wien") sowie – zusammen mit Max Reinhardts und Hugo von Hofmannsthal - an der Gründung der Salzburger Festspiele beteiligt.

Neben seinem Beruf widmete er sich dem Schreiben - von 1919 bis 1921 schrieb er Feuilletons für das 'Neue Wiener Tagblatt', 1922 wurde sein Theaterstück "Ich!" uraufgeführt. 1925 trat er 34-jährig - als jüngster Hofrat aller Zeiten - aus dem Staatsdienst aus, um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen.

Bereits ab 1923 war er freier Mitarbeiter der 'Neuen Freien Presse' gewesen, von 1925 bis 1933 arbeitete er hier als Redakteur und war hauptsächlich für Theaterkritiken, Feuilletons, Film- und Literaturbesprechungen verantwortlich. Daneben veröffentlichte er Novellen und Romane (die teilweise auch in der "Neuen Freien Presse" abgedruckt wurden) und trat Ende der 1920er bzw. Anfang der 1930er Jahre mit gesellschaftspolitischen Stellungnahmen und Aufrufen an die Öffentlichkeit. (Er engagierte sich u.a. für die Reform des Strafvollzugs, für die Aufhebung des Homosexuellen-Paragraphen und für die "Arbeitsgemeinschaft österreichischer Friedensvereine".)

Darüber hinaus engagierte er sich in verschiedenen Schriftstellerorganisationen, wurde 1933 Präsident des "Gesamtverbandes Schaffender Künstler Österreichs" und begann, als Regisseur zu arbeiten. Von 1933 bis 1935 war er wiederholt Gastregisseur (v.a. für Grillparzer-Inszenierungen) am Burgtheater, 1935 übernahm er - als Nachfolger von Max Reinhardt - die Direktion des Theaters in der Josefstadt und trat in den Lehrkörper des Max-Reinhardt-Seminars ein.

Sein gesellschaftspolitisches Engagement führte dazu, dass er Mitte der 1930er Jahre als "deutschfeindlicher Autor" galt, 1938 standen seine sämtlichen Werke auf der "Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums". Nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 flüchtete er mit Frau und Tochter über die Schweiz in die USA. (1941 wurde ihm die "deutsche Staatsbürgerschaft" aberkannt und sein Vermögen beschlagnahmt.)


Die Familie lebte zunächst in New York, wo er das "Austrian Theatre" gründete: die Bühne führte deutschsprachige Stücke auf, musste aber wegen finanzieller Probleme schon 1941 wieder schließen. Danach übernahm Ernst Lothar Lehraufträge an amerikanischen Hochschulen (u.a. war er 1940 bis 1944 Dozent für Theaterwissenschaften und vergleichende Literatur am Colorado Springs College) und engagierte sich in österreichischen Exilorganisationen ("Free Austrian National Council", "Austrian Action").

Im Exil schrieb Ernst Lothar zwischen 1941 und 1945 fünf Romane, die zunächst in englischer Sprache erschienen, darunter "Beneath another Sun", "The Angel with the Trumpet" und "The Prisoner". Diese Romane, die sich mit den unmittelbaren politischen und zeitgeschichtlichen Ereignissen literarisch auseinandersetzten, wurden Bestseller und erzielten erstaunliche Auflagen.

1944 wurde er amerikanischer Staatsbürger, kehrte aber nach dem Krieg 1946 als Kulturoffizier ("Theatre and Music Officer") im Dienst der US-Behörde ISB (Information Services Branch) nach Österreich zurück. Zu seinen Aufgaben gehörten die Entnazifizierung und der Wiederaufbau des kulturellen Lebens (u.a. Wiedereröffnung der Salzburger Festspiele) in der US-Zone Österreichs, aber auch die Verbreitung amerikanischer Theater- und Musikstücke. (Ernst Lothar machte sich durch diese Tätigkeit aber auch viele Feinde in Österreich, was ihn auch später noch verfolgte; so scheiterte er zweimal mit seiner Bewerbung zum Burgtheater-Direktor.)

Ende 1947 schied er aus dem US-Dienst aus, 1948 kehrte er endgültig nach Wien zurück und nahm die österreichische Staatsbürgerschaft wieder an.


1947 erschien sein Roman "Der Engel mit der Posaune" erstmals auf Deutsch und wurde in Österreich eines der meistgekauften Bücher der unmittelbaren Nachkriegszeit. Es wurde in mehr als zehn Sprachen übersetzt und 1948 in Österreich verfilmt - mit Attila und Paul Hörbiger, Paula Wessely, Oskar Werner und seiner Frau Adrienne Gessner - und bei den Filmfestspielen in Venedig gezeigt.

Von 1948 bis 1962 war Ernst Lothar Regisseur (ab 1953 Oberspielleiter) am Burgtheater, das er durch seine Inszenierungen von vor allem österreichischen Dramatikern nachhaltig prägte. Er führte auch am Theater in der Josefstadt Regie, inszenierte von 1952 bis 1959 den "Jedermann" in Salzburg und war Mitglied des Kunstrates der Salzburger Festspiele. Nach seiner Pensionierung als Burgtheaterregisseur verfasste er wieder Kritiken - er war von 1963 bis 1969 Theaterkritiker der Tageszeitung "Express" und der Kritiker-"Doyen" des Wiener Theaters.

Ernst Lothar war in den Nachkriegsjahren eine wichtige Persönlichkeit des kulturellen Lebens in Österreich - auf verschiedenen Gebieten, als Feuilletonist, Schriftsteller, Regisseur, Theaterdirektor und Theaterkritiker. Sein eigenes Werk umfasst an die 30 Werke, die zum Teil übersetzt oder verfilmt wurden.
(Der Film "Der Engel mit der Posaune" zählt zu den größten Erfolgen des heimischen Filmschaffens nach 1945, wurde mit dem Sascha-Pokal ausgezeichnet und zu den Filmfestspielen von Venedig eingeladen.)


Ernst Lothar war in zweiter Ehe mit Adrienne Gessner verheiratet; aus seiner ersten Ehe, die 1933 geschieden wurde, stammten zwei Töchter (Agathe und "Hansi" Johanna, die später mit dem Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor Ernst Haeussermann verheiratet war).

Er starb am 30. Oktober 1974 in Wien. Er ruht - gemeinsam mit seiner Frau Adrienne Gessner - in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

  • Bauernfeld-Preis, 1920
  • Ernennung zum Hofrat, 1925
  • Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold, 1960
  • Josef Kainz-Medaille der Stadt Wien, 1960
  • Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, 1961
  • Preis der Stadt Wien für Literatur, 1963

Werke (Auswahl)#

  • Der ruhige Hain. Gedichte, 1911
  • Die Rast. Gedichte, 1912
  • Die Einsamen. Novellen, 1913
  • Der Feldherr. Roman, 1918
  • Macht über alle Menschen. Roman (3 Bände), 1921–1925
    • Band: Irrlicht der Welt. 1921
    • Band: Irrlicht des Geistes. 1923
    • Band: Licht. 1925.
  • Ich! Ein Theaterstück in vier Akten, 1921
  • Bekenntnis eines Herzsklaven. Roman, 1923
  • Triumph des Gefühls. Zwei Erzählungen, 1925
  • Drei Tage und eine Nacht. Novelle, 1927
  • Gottes Garten. Ein Buch von Kindern, 1927
  • Der Hellseher. Roman, 1929
  • Kleine Freundin. Roman einer Zwölfjährigen, 1931
  • Die Tür geht auf. Notizbuch der Kindheit, 1931
  • Die Menschenrechte. Zyklisches Romanwerk (2 Bände), 1933–1934
    • Die Mühle der Gerechtigkeit oder Das Recht auf den Tod
    • Eine Frau wie viele oder Das Recht in der Ehe
  • Romanze F-Dur. Aus dem Tagebuch eines jungen Mädchens, 1935
  • Nähe und Ferne. (Länder, Leute, Dinge), 1937
  • A Woman in witness. A Paris diary (Englische Übersetzung von 'Die Zeugin' von Barrows Mussey), 1941
  • Beneath another sun (Engl. Übersetzung von 'Unter anderer Sonne' von Barrows Mussey), 1943
  • The Angel with the Trumpet (Engl. Übersetzung von 'Der Engel mit der Posaune' von Elizabeth Reynolds), 1944
  • The door opens (Engl. Übersetzung von 'Die Tür geht auf'), 1945
  • The Prisoner (Engl. Übersetzung von 'Heldenplatz'), 1945
  • Heldenplatz. Roman, 1945
  • Der Engel mit der Posaune. Roman eines Hauses, 1947
  • Die Rückkehr. Roman, 1949
  • Die Tür geht auf. Notizbuch der Kindheit, 1950
  • Die Zeugin. Pariser Tagebuch einer Wienerin, 1951
  • Verwandlung durch Liebe. Roman, 1951
  • Das Weihnachtsgeschenk. Erzählung, 1954
  • Die bessere Welt. Reden und Schriften, 1955
  • Das Wunder des Überlebens. Erinnerungen und Ergebnisse (Autobiographie), 1960
  • Unter anderer Sonne. Roman des Südtiroler Schicksals, Wien 1961
  • Ausgewählte Werke in Einzelausgaben (6 Bände), 1961–1968

Weiterführendes#

Literatur#

  • Neue Deutsche Biographie
  • H. Waldner, Das Theater in der Josefstadt von Lothar bis Steinboeck (1935-47) (Dissertation) 1949
  • S. Maurer, E. Lothar. Leben und Werk (Diplomarbeit), 1995
  • D. Heissler, Ernst Lothar, Schriftsteller, Kritiker, Theaterschaffender (in der Reihe: Literaturgeschichte in Studien und Quellen, Band 25), 2016

Quellen#

Redaktion: I. Schinnerl