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Katja OSKAMP: Marzahn mon Amour#

Katja OSKAMP: Marzahn mon Amour / Geschichten einer Fusspflegerin, Suhrkamp, 2021 / Rezension von Guenther Johann

Katja OSKAMP: Marzahn mon Amour
Katja OSKAMP: Marzahn mon Amour

OSKAMP, Katja: „Marzahn mon amour, Geschichten einer Fusspflegerin“, Berlin 2021

Ich habe die Schriftstellerin beim Kulurfestival „Literatur & Wein“ im Stift Göttweig kennengelernt. Ihren Vortrag habe ich interessant und lustig empfunden. Es war aber so wie mit dem herrlichen Rezzina-Wein, den man im Urlaub in Griechenland trinkt, sich eine Flasche mit nach Hause nimmt und zu Hause schmeckt er nicht mehr so gut. So war es auch mit Oskamps Buch. Es war zwar nicht uninteressant, aber nach mehreren Geschichten wurde es langweilig.

Die Struktur des Buches ist sehr einfach: eine Fusspflegerin erzählt die Lebensgeschichten ihrer Kunden, wie sie sie während einer Fussbehandlung erzählen. Die Icherzählerin ist die Schriftstellerin selbst. Als ihre Mansukripte von vielen Verlagen abgelehnt wurden, musste sie sich einen anderen Gelderwerb suchen und machte eine Fußpflegerinnenausbildung, um dann in einem Körperpflegestudio im Ostberlin Plattenbaubezirk Marzahn zu arbeiten. Ob es sich um alleinstehende Witwen handelt oder um einen ehemaligen DDR-Politbonzen, die Geschichten wiederspiegeln Menschen, die in diesem Viertel wohnen. Hauptsächlich sind es aber alte Leute, deren Geschichten verschriftlicht werden. Bei einem Ausflug mit Kolleginnen schwingt sie sich „zu einer Hymne über Marzahn und seine Bewohner, über diese Leute, die dort vor vierzig Jahren hingezogen sind und jetzt mit Rollator, Sauerstoffgerät und Mindestrente tapfer ihr Leben zu Ende bringen, die manchmal tagelang mit niemandem reden, die uns, wenn sie ins Studio kommen, ihre hungrigen Herzen ausschütten, jede Berührung dankbar aufsaugen und glücklich sind an diesem Ort, an dem sie nicht wie die Vollidoten der Nation behandelt werden“ (Seite 92) auf.

Die Fusspflegerin Oskamp liebt ihre Kunden, auch wenn ihre Füße stinken, verkrüppelt und ungepflegt sind. Genauso liebevoll erzählt sie die Geschichten über diese, ihre Kunden. Seit 2015 hat sie 3500 Füße gepflegt. Das sind – so ihre Hochrechnung – 19.000 Zehen.

Mit den letzten beiden Geschichten läuft die Erzählerin – oder die zu beschreibenden Personen mit ihren Lebensläufen – zu einer Hochform auf. Da ist Gerlinde Bonkat, die 1945 als siebenjähriges Kind mit ihrer Mutter aus Königsberg mit ihrer Mutter in den Westen geflüchtet ist. Sie hat sich von gefängnisähnlichen Flüchtlingslagern hochgearbeitet und viele Berufe ausgeübt. Nie hat sie sich unterkriegen lassen und immer ist die positiv und fröhlich gewesen. „Ich verneige mich vor der Lebensleistung von Gerlinde Bonkat, weil es sonst niemand tut. Sie hat jede Chance ergriffen, um den verpfuschten Start ins Leben auszugleichen.“ (Seite 130)

Alleine die Geschichte dieser Frau ist es wert dieses Buch zu lesen.