Franz Romeder (Hg.): Zisterzienserstift Zwettl#
Franz Romeder (Hg.): 875 Jahre Zisterzienserstift Zwettl. Die Restaurierungsgeschichte. Residenz Verlag Salzburg. 208 Seiten, durchg. farb. ill., € 24,90
Das Waldviertel und Stift Zwettl sind untrennbar verbunden. Wie für eine Zisterze üblich, liegt es an einem Fluss, dem Kamp. Die Zisterzienser kamen aus Citeaux bei Dijon in Burgund. Sie waren ein extrem strenger Orden, der sich in seinen Klöstern in der Einöde völlig von der Außenwelt abschirmte. Nach dem Eintritt des Mystikers und Predigers Bernhard von Clairvaux (1090-1153) mit 30 Gefährten kam es zu einer Reform und Ausbreitung des Ordens in alle Welt. Bis 1342 bestanden 741 Zisterzienserklöster. Nach Österreich kamen ihre Mönche 1133 wohl auf Anraten des fünften Sohnes des Babenberger-Markgrafen Leopold III. Otto (1112-1158) wurde in Frankreich Mönch, später Bischof von Freising. Die erste Niederlassung war Heiligenkreuz, fünf Jahre später sandte das Kloster Ordensmänner ins Waldviertel.
1159 wurde die Klosterkirche in Zwettl geweiht, die Kuenringer (Ministerialen der Babenberger) und andere Adelsfamilien förderten sie. 200 Jahre später zählte die Gemeinschaft 72 Mönche und 27 Laienbrüder, der Bau eines gotischen Gotteshauses begann. Der Blütezeit folgte in eine lange Periode des Niedergangs. Seuchen, Konkurrenz durch Bettelorden und die Reformationszeit dezimierten den Mitgliederstand auf drei Mönche. Der nächste Aufschwung - und Ausbau - folgte in der Barockzeit. Wirtschafts- und Schultrakt entstanden neu. Anfang des 18. Jahrhunderts war die Barockkirche vollendet und der Turm fertig gestellt.
2007 begann die Generalsanierung. Sie wäre nicht ohne die Unterstützung des 2005 gegründeten „Verein der Freunde des Stiftes“ möglich gewesen. Bei der Wahl des Vereinsvorstands bewies Abt Wolfgang Wiedermann eine glückliche Hand. Er bat den ehemaligen Bauernbundsekretär und Ersten Landtagspräsidenten Mag. Franz Romeder, den Vorsitz zu übernehmen. Der Politiker hatte die Schule in Zwettl besucht und war dort Sängerknabe gewesen. Seine beruflich begründeten Netzwerke halfen, auch andere Niederösterreichische Prominente ins Boot zu holen, die Unterstützung des ORF-Landesstudios zu sichern und Kostenbeteiligungen der Öffentlichen Hand zu erhalten. Für die derzeit größte Kirchenrenovierung Niederösterreichs waren 6,7 Mio. € erforderlich. Um auch die anderen Projekte zu realisieren, musste man die Summe verdoppeln.
875 Jahre nach der Gründung hat sich im Stift Zwettl baulich vieles getan: Die historischen Orangerien wurden in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. In mehreren nicht mehr genutzten Gebäudeteilen entstanden moderne Mietwohnungen. Das "Stephaneum", ein um 1900 errichtetes Pflegeheim für Mönche, erhielt als Ärztezentrum eine zeitgemäße Nutzung. Im Festsaal wurden die durch Übermalungen des 19. Jahrhunderts entstellten Barockbilder freigelegt. Die Barockbibliothek mit den berühmten Troger-Fresken kann nun für Veranstaltungen benutzt werden. In der neu gestalteten Schatzkammer sind bedeutende Kunstwerke aus dem Mittelalter öffentlich zugänglich. Drei Fischerhäuser am Wehrbach wurden ebenso saniert wie Dächer und Fassaden des Klosters. Nur für den Meierhof sucht man noch eine Lösung.
Das mit zahlreichen dokumentarischen Fotos angereicherte Buch beschreibt die gemeinsamen Anstrengungen und das vielfältige persönliche Engagement, dank derer die Restaurierung gelingen konnte. Der Koordinator der Baumaßnahmen, Peter Griebaum, schildert den Verlauf der Kirchenrestaurierung - Herausforderungen und Lösungen. Der Bauforscher Peter Aichinger-Rosenberger referiert über die mittelalterliche Baugeschichte der Stifts- und Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, die mit ihrem Hallenumgangschor zu den bedeutendsten Werken österreichischer Sakralarchitektur zählt. Petra Weiss vom Landeskonservatorat Niederösterreich spricht aus Erfahrung, wenn sie ihrem historischen Beitrag den Titel "Denkmäler sind häufig Flickenteppiche…" gibt. Sie beschreibt auch "Nebenschauplätze der Restaurierungskampagne" wie die Gartenhäuser, das Stephaneum oder die alte Schule. Der deutsche Glasmalermeister Christoph Sander erläutert die Verglasung der Klosterkirche und ihre Restaurierung. Die Kunsthistorikerin Martina Beisser war als Assistenz der Bauleitung mit der Realisierung der Innenrestaurierung der Stiftskirche betraut. Sie schreibt über Künstler, Geschichte und Restaurierung der barocken Seitenaltäre. Stefan Bstieler, im Bundesdenkmalamt u.a. für Klangdenkmale zuständig, beschäftigt sich mit Geschichte und Restaurierung der Egedacher-Orgel. Der Passauer Johann Ignaz Egedacher (1675-1744) war einer der gefragtesten Orgelbauer seiner Zeit. Für Zwettl schuf er in dreijähriger Arbeit eines der bedeutendsten Instrumente - zugleich eines der größten und kostspieligsten Projekte des 18. Jahrhunderts in Niederösterreich. Martin Haltrich, Archivar und Bibliothekar des Stiftes Klosterneuburg, gibt Einblick in die Öffnung und Modernisierung der Stiftsbibliothek. Sie dient jetzt auch als Konzertsaal und erhielt einen Bücherspeicher mit zwei Kilometer Regalen. Die Bibliothek umfasst 36.000 Werke, darunter 420 mittelalterliche Handschriften, 377 Inkunabeln und 2800 Urkunden. Wirtschaftsdirektor Richard Hackl stellt das Kloster als Wirtschaftsbetrieb vor. Sein wichtigstes Standbein ist die Forstwirtschaft, dazu kommen Land- und Teichwirtschaft, Immobilien, Tourismus, Bildungshaus und Schule. Für den geistlichen Part sorgen Abt Wolfgang Wiedermann, der auch das Kapitel über die Stiftsgeschichte verfasste, und der Novizenmeister P. Martin Strauß. Er übertitelt seine Meditation "Unterwegs zur ursprünglichen Kirche".